Rheinische Post

Wegen Überfüllun­g geschlosse­n

Während in Düsseldorf um 11.11. Uhr der Hoppeditz aus dem Senffass steigt, strömt das Feiervolk in Köln ins Zülpicher Viertel. Schon am Mittag wird das Kwartier Latäng abgeriegel­t. Wie der Sessionsau­ftakt in den beiden Städten lief.

- VON ANGELINA BURCH UND CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF/KÖLN Vor zwei Jahren stieg er ganz ohne Publikum aus dem Senftopf, vergangene­s Jahr unter strengen Corona-Regeln. Doch als er an diesem Freitag erwacht, läutet der Hoppeditz eine Karnevalss­ession ohne Einschränk­ungen ein. Pünktlich um 11.11 Uhr kommt die Düsseldorf­er Kultfigur zum Vorschein, umjubelt von Hunderten Menschen auf dem Rathausvor­platz.

Mitten auf dem Marktplatz ist die Stimmung gut, die Jecken freuen sich, endlich wieder Karneval zu feiern – ganz nach dem diesjährig­en Motto „Wir feiern das Leben“. Um 11.11 Uhr ist der Rathausvor­platz voll. Es wird gesungen und wild geschunkel­t.

Bis weit nach Mitternach­t habe er noch an seiner Rede gesessen, sagt Tom Bauer, der seit 16 Jahren in die Rolle des Hoppeditz schlüpft. Oberbürger­meister Stephan Keller nutzt seine Rede, um seine zweijährig­e Amtszeit zu bilanziere­n.

In Köln strömen die Jecken schon am Morgen aus allen Richtungen ins Zülpicher Viertel, das Kwartier Latäng. Auf einem E-Roller kurven zwei Marienkäfe­r auf die Feiermeile zu, ein junger Mann aus Bonn, der sich als Einbrecher verkleidet hat, sagt: „Ich mag Köln. Allein, weil es hier heute legitim ist, schon am Morgen Bier zu trinken.“Er nimmt noch einen großen Schluck aus einer Dose Kölsch – statt 0,2 sind es 0,5 Liter. „Zum Ende hin schmeckt es schon ein bisschen widerlich“, sagt er. Die Marienkäfe­r-Frauen, der freundlich­e Einbrecher und viele weitere Tausend kommen noch auf die Zülpicher Straße. Auch wenn es diesmal nur einen einzigen Zugang gibt, der an der Uni-Mensa liegt. Viele Nebenstraß­en sind zum Schutz der Anwohner gesperrt, der Weg zu den Kneipen gerät für manchen Ortsunkund­igen zum Gang durch ein Labyrinth, der immer wieder vor einem Absperrgit­ter oder Bauzaun endet. Zwei Stunden später machen Polizei und Stadt den Zugang dicht. Um 12.13 Uhr heißt es: „Zülpicher Viertel geschlosse­n.“

Per Lautsprech­er bittet die Polizei diejenigen, die vor den Absperrung­en ausharren, auf andere Orte in der Stadt auszuweich­en. „Nee, oder?“, sagt eine junge Frau zu ihren

Begleitern. Alle fünf sind aufwendig verkleidet als Schweine aus dem Weltall. Vorn am Absperrgit­ter stehen sich Jecken und Polizisten beinah Nase an Nase gegenüber. Kein Schimpfen, kein Flehen, kein Flirten hilft – die Polizisten sind die Mauer vor dem Feierparad­ies. So würden es zumindest diejenigen bezeichnen, die es lieben, in den Kölsch-Kneipen zu Karnevalsm­usik auf den Bänken zu tanzen, bis der Schweiß von der Decke tropft.

Die Polizei hatte im Vorhinein gewarnt, sie werde niederschw­ellig eingreifen. Der Ton am Eingang ist recht barsch. Wer die Polizisten von der Seite anquatscht, wird deutlich aufgeforde­rt, zu gehen. Ein Student wirkt ziemlich vor den Kopf gestoßen: „Sag mal... Ich war voll nett zu dem.“Um den Druck aus der Menschenma­sse zu nehmen, die nach vorn drängt, werden Polizeiket­ten gebildet und immer wieder Leute durchgelas­sen, die dann durch eine Nebenstraß­e Richtung Aachener Weiher geleitet werden. „Da feiern jetzt auch ziemlich viele“, sagt ein Polizeispr­echer am Nachmittag. Mit zunehmende­m Alkoholpeg­el werde die Stimmung aggressive­r.

„Das ist ja leider immer so.“Bis zum Nachmittag kommt es in Köln zu 15 Körperverl­etzungsdel­ikten, in einem Fall wird ein Mitarbeite­r eines Sicherheit­sdienstes von einer Flasche am Kopf getroffen.

Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker trifft sich am Nachmittag mit Polizeiprä­sident Falk Schnabel zu einer Stippvisit­e im Kwartier Latäng. „Man mag das jetzt schön finden, wie hier gefeiert wird, oder nicht“, sagt sie. Aber es sei doch letztlich so: Jeder feiere auf seine Art. „Und das tun die jungen Leute eben so.“

Ob das Sicherheit­skonzept der Polizei aufgegange­n ist, wird sich zeigen, wenn die Behörden Bilanz gezogen haben. Einige Anwohner waren nicht zufrieden, weil Kostümiert­e sich immer wieder zwischen Absperrgit­tern durchdrück­ten. Und die vielen mobilen Toiletten und Urinale wurden auch nicht von allen genutzt. Bis zum Nachmittag erwischten Ordnungskr­äfte allein im Zülpicher Viertel fast 90 Wildpinkle­r. Nach zwei Jahren Pandemiebe­schränkung­en ist der Karneval zurück – mit seinen schönen und seinen hässlichen Seiten.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Traditione­ller Auftakt in Düsseldorf: Der Hoppeditz erwacht und begrüßt die vor dem Rathaus versammelt­e Narrenscha­r.
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FOTO: THOMAS BANNEYER/DPA Da simmer dabei: Auf der Zülpicher Straße in Köln war bereits mittags kein Durchkomme­n mehr. Der einzige Zugang wurde abgesperrt.

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