Stolze Ampel, entsetzte Opposition
Der Bundeshaushalt 2023 steht nach zähem Ringen: Er sieht 45,6 Milliarden Euro neue Schulden vor.
BERLIN Zufriedene Gesichter bei den Haushaltspolitikern der Koalition, Entsetzen in der Opposition, als am Freitagmorgen die Ampel-Beschlüsse zum Bundeshaushalt 2023 feststanden. Nach rekordverdächtigen 18 Stunden langen Verhandlungen hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags um 5.40 Uhr die 511 Seiten starke Vorlage des Bundesfinanzministers und 420 eigene Änderungsanträge bewältigt. Herausgekommen ist ein Zahlenwerk, mit dem die vom Grundgesetz vorgegebene Schuldenbremse zwar eingehalten wird, das aber erhebliche Ausgabesummen gar nicht enthält. Denn für die Entlastungen von Bürgern und Unternehmen in der Energiekrise schafft die Ampel ein zusätzliches, aus Krediten finanziertes, 200 Milliarden Euro schweres Sondervermögen neben dem Etat beim sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF).
Diesen riesigen Nebenhaushalt nutzten Union und AfD als Gelegenheit,
der Ampelkoalition – vor allem aber der FDP und ihrem Finanzminister – eine verlogene Haushaltspolitik vorzuwerfen. Die Linke dagegen kritisierte, die Regierung tue noch viel zu wenig, um Bürgern in der Krise aus der Not zu helfen. Die Ampelkoalitionäre aber waren stolz darauf, dass sie die von der FDP vorgegebene rote Linie der Schuldenbremse nicht überschreiten, zugleich aber die Grundlagen dafür schaffen, dass das Kanzler-Versprechen eingelöst werden kann, niemanden in der Krise allein zu lassen.
Der Bundeshaushalt 2023 sieht Ausgaben von rund 476,3 Milliarden Euro vor – das sind 31 Milliarden Euro mehr, als von Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Sommer veranschlagt worden war. Die Neuverschuldung steigt auf 45,6 Milliarden Euro, fast dreimal so viel wie noch im Sommer (17,2 Milliarden Euro) veranschlagt. Dennoch hält der Etat die Schuldenbremse ein. Möglich wird das, weil sich zwischenzeitlich die Konjunkturaussichten verdüstert haben. In einer Rezession erlaubt die Schuldenbremse mehr neue Schulden, die Ampel schöpft diesen größeren Rahmen voll aus. Zudem stopft sie ein Loch mit der Entnahme von 40 Milliarden Euro aus der sogenannten Asylrücklage der Vorgängerregierung. Der Etat soll nun Ende November vom Bundestag gebilligt werden.
Steigende Zinsen und die hohe Inflation lassen die Zinsbelastung des Bundes 2023 noch stärker in die Höhe schießen als bisher geplant. Der Haushaltsausschuss erhöhte den Ansatz für Zinsausgaben um gut zehn Milliarden auf knapp 40 Milliarden Euro. Die Zinserhöhungen der Zentralbanken hätten Auswirkungen auf den Staat, sagte Minister Lindner: „Deshalb haben wir hier Vorsorge getroffen, damit wir nicht am Ende von den Kapitalmärkten kalt erwischt werden.“
Der Etat enthält nun zehn Milliarden Euro für den Aufbau der sogenannten Aktienrente. Mit dem Kapitalstock soll eine neue Säule in der Rentenversicherung entstehen, um Renten zu sichern und die Beiträge zu stabilisieren.
Die Union warf der Ampel vor, das wahre Maß der Neuverschuldung zu verschleiern. In Wahrheit mache sie nicht 45, sondern 300 Milliarden Euro neue Schulden, so Chef-Haushälter Christian Haase. Er kritisierte vor allem den starken Zuwachs von Stellen. Der Haushaltsausschuss billigte rund 2100 neue Stellen, davon 425 in den Ministerien und 1600 in nachgeordneten Behörden. „Das ist eine Dauerlast für die Zukunft“, kritisierte Haase.