Über das Leben nach dem Aus
Was machen Politiker, wenn sie abgewählt werden? Vier ehemalige Abgeordnete von Land- und Bundestag geben Antworten.
DÜSSELDORF Gestern noch Abgeordneter in Düsseldorf oder Berlin, und dann ist plötzlich das Leben anders: Niederlage bei der Wahl, kein guter Platz auf der Reserveliste – und raus bist du. Wie verkraften Politikerinnen und Politiker das und wie sieht ihr Leben heute aus? Wir haben eine Düsseldorferin und drei Düsseldorfer dazu befragt. Eines vorab: Nur eine der vier Personen sagt aktuell, sie möchte noch einmal für ein Parlament kandidieren.
Martin-Sebastian Abel (Die Grünen) war mit 27 Jahren am Ziel seiner Träume. Er hatte schon drei Mal für den NRW-Landtag kandidiert, als er im November 2012 für die Ministerin für Schule und Weiterbildung, Sylvia Löhrmann, in das Parlament nachrückte. Der Kommunalpolitik,
in der er sich bereits engagiert hatte, blieb er dort gewissermaßen auch treu: Mit seinem SPD-Kollegen Markus Weske (um den es gleich auch noch geht) setzte er sich dafür ein, dass ausgeschiedene Wahlbeamte auf Zeit – wie abgewählte Oberbürgermeister und Landräte – erst mit dem Renteneintritt eine Pension erhalten. Auslöser war die auch überregional diskutierte „Sofortrente“von 4200 Euro für den abgewählten Düsseldorfer Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU), die der Düsseldorfer Stadtrat ihm 2014 zugesprochen hatte. Tatsächlich wurde das Gesetz geändert.
Für Abel selbst kam der bittere Moment der Niederlage bei der Landtagswahl vor fünf Jahren. Das sei zunächst sehr schlimm gewesen, sagt Abel, er habe das Aus als „furchtbar ungerecht“empfunden.
Der studierte Theologe, der sogar mal Pfarrer werden wollte, resümierte für sich, als haushalts- und finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion viel bewegt zu haben. Das hätte er gerne fortgesetzt, aber die Realität sah anders aus. Der Wendepunkt wurde auf dem Carlsplatz eingeläutet, als ihn bei der Mittagspause ein Manager der NRW-Bank ansprach. Den kannte Abel von der Arbeit als Finanzpolitiker und wies ihn gleich darauf hin, dass er sein Mandat verloren habe und er damit kein Ansprechpartner mehr für ihn sei. Das sah der Manager anders, denn er wollte ihm ein Jobangebot machen.
Tatsächlich fing Abel dann bei der Förderbank des Landes an. Und weil es besser ist, fundierte Kenntnisse zu haben, erwarb er in einem zweijährigen Studium abends und am Wochenende den Master Business Administration (MBA) an der Otto-BeisheimSchool. Die Zeit sei hart gewesen, sagt Abel, nicht einfach und mit viel Arbeit verbunden. „Ich war gezwungen, mich neu aufzustellen.“Heute aber sei er froh, dass es so passiert sei. Mittlerweile ist der 37-Jährige Unternehmensberater bei KPMG, berät im öffentlichen Bereich und hat viel mit Nachhaltigkeitsthemen zu tun. Zuweilen könne er in seiner heutigen Aufgabe mehr für grüne Ziele erreichen als in der Politik, hat er den Eindruck. Und wie wäre es mit einer erneuten Kandidatur für ein Parlament?
Das sei im Augenblick keine Option für ihn, sagt Abel.
Dem Politikbetrieb treu geblieben ist dagegen Markus Weske. Der heute 54-Jährige fing vor 30 Jahren als Mitarbeiter der damaligen SPDAbgeordneten Brigitte Speth an. Das blieb er zehn Jahre und war ab 2012 weitere zehn Jahre stellvertretender Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion. 2012 holte der Sport- und Finanzpolitiker das Direktmandat im Düsseldorfer Norden, verlor es 2017, zog aber über die Reserveliste ins Landesparlament ein. Im Mai dieses Jahres war dann jedoch nach zehn Jahren als Abgeordneter Schluss, sein Ausscheiden gegen den Dauerrivalen Olaf Lehne (CDU) nennt Weske „eine krachende Niederlage“.
Er habe sein Mandat mit Herzblut ausgefüllt. „Du denkst, du kannst die Welt verändern“, erinnert sich Weske. Weil auch noch Mona Neubaur (Grüne) in seinem Wahlkreis antrat, wusste er, „dass es sehr schwer werden würde“. Nach drei Monaten Übergangsgeld hat Weske nun wieder den Job als stellvertretender Pressesprecher, der für ihn dank eines unbefristeten Vertrags eine sichere Rückfallposition bedeutete. Und wer weiß: Vielleicht zieht er doch mal für einige Zeit ins Parlamant ein. Weske hat auf der Reserveliste Platz 19. Bis 14 hat sie gezogen, aber es hat bereits der erste Sozialdemokrat angekündigt, den Landtag wieder zu verlassen. Nun sind nur noch vier Personen vor Weske als Nachrücker an der Reihe.
Eine nochmalige Kandidatur schließt Weske, der mit dem neuen Familienhund gerne eine Runde dreht, aus. Bei der Aufstellung für die nächste Landtagswahl sei er 58, da sollten nun die Jüngeren ran, es gebe so viele junge Talente in der Partei. Er selbst fühle sich der Stadt weiterhin verbunden und sei froh, viele Kontakte halten zu können. Die Schützen laden ihn weiterhin ein, er war auf den Sommerfesten von DGB und IHK. Die Einladungen empfindet er als Wertschätzung – und sei dankbar dafür.
Eine erneute Kandidatur ist auch für Rainer Matheisen (FDP) nicht verlockend. „Das ist keine Option“, sagt er. Er will sich im neuen Jahr einer neuen Aufgabe widmen, aktuell aber bestimmt vor allem eine junge Dame namens Arina sein Leben. Matheisen ist das erste Mal Vater geworden. „Ich genieße diese Familienzeit, als Abgeordneter mit 80oder 90-Stunden-Woche wäre das sicher so nicht möglich.“Das Zusammensein mit dem Kind ist sicher mehr als ein Trostpflaster, auch wenn der 41-Jährige sagt, „dass der Abend des 15. Mai nicht schön war“.
Finanziell kommt der frühere Elektronikhändler klar, lebt unter anderem von Einnahmen aus Immobilien. Man müsse ja nicht zum teuren Italiener in die Innenstadt, er sei auch als Abgeordneter lieber zur Pizzeria in Bilk gegangen und habe Geld zur Seite gelegt.
Die FDP hatte mit acht bis zehn Prozent gerechnet, dann hätte wohl auch Matheisens Platz 19 auf der Reserveliste gezogen. Tatsächlich aber wurden die Liberalen auf knapp sechs Prozent halbiert. Matheisen war seit 2009 im Düsseldorfer Stadtrat
aktiv und hat dem Landesparlament fünf Jahre angehört. Er setzte sich für die Gaslaternen ein, im Landtag war er Fraktionssprecher für Innovationen und Start-ups sowie für Drogenpolitik. Ganz ohne Politik geht das Leben für ihn aber nicht weiter: Matheisen, der eine koreanische Mutter hat, wird jetzt Honorarkonsul der Republik Korea in Düsseldorf.
Noch einmal ins Parlament? Da reagiert Sylvia Pantel ganz anders als ihre „Kollegen“. „Ich will noch einmal in den Bundestag“, sagt die 61-Jährige klipp und klar und sprudelt los. Sie wolle ein faires Elterngeld, das heißt mehr Geld für Familien, damit sich die Eltern auch um ihre Kinder kümmern können. Und es solle das Baukindergeld kommen. Die kämpferische Christdemokratin, die als Sprecherin des konservativen Berliner Kreises in ihrer Partei nicht unumstritten ist, tourt weiter durch die Republik und kämpft für ihre Überzeugungen.
Manch einer in der CDU mag gehofft haben, dass Pantel nach acht Jahren im Bundestag (davor war sie 14 Jahre in Bezirksvertretung und Stadtrat) nun zurückschalten würde, aufgegeben hat sie aber nur die Funktionen im Bundes- und Landesvorstand der Frauen-Union, in Düsseldorf bleibt sie Vorsitzende. Nach sechs Monaten Übergangsgeld ist sie nun Geschäftsführerin der Stiftung für Familienwerte und baut zudem die Plattform „Lust auf Familie“auf, um für ihre Ziele zu werben. Sie hat fünf erwachsene Kinder und drei Enkelkinder, die kommen aber, wie sie sagt, nicht zu kurz. „Wenn die Partei mich lässt, trete ich noch mal an. Ich will meine Ziele erreichen.“
„Ich genieße die Familienzeit, als Abgeordneter mit 80- oder 90-Stunden-Woche wäre das nicht möglich“Rainer Matheisen Ehemaliger FDP-Abgeordneter