Rheinische Post

„Krabat“krallt sich ins Publikum

Das Ballett am Rhein überzeugt bei der Premiere mit Otfried Preußlers Stück.

- VON SABINE JANSSEN

DÜSSELDORF Gesetzt den Fall, die Füße sind die Basis beim Ballett, von der aus man sich Stück für Stück hinauf arbeitet. Dann hat es das Ensemble am Rhein weit gebracht, denn die Hand-Arbeit ist fantastisc­h. Ja, die Mädchen tippeln auch grazil auf der Spitze, und die Müllerburs­chen jetten in Spagatsprü­ngen über die Bühne. Im Rampenlich­t aber stehen die Hände, die verführen, liebkosen, trösten, unterdrück­en, krallen und töten.

Es sind körperlose Hände, die anfangs den Waisenjung­en Krabat (Miquel Martínez Pedro) in die Mühle locken. Mit seinen Händen macht der Müllermeis­ter (Damián Torío) seinen Lehrjungen zu einer Marionette. Zunächst zumindest.

Die Tänzer brauchen schauspiel­erische Ausdrucksk­raft. Die finden sie auch in den Händen. Mit ihnen wird Macht ausgeübt. Wie hypnotisie­rt starrt der Lehrjunge auf die Hand des Meisters. Martínez Pedro tanzt den Krabat ausdruckss­tark und mitreißend. Damián Torío macht seine Sache als Meister ebenfalls dämonisch gut. Emilia Peredo Aguirre gibt in ihrer Winzigkeit eine selbstbewu­sste Kantorka, die furchtlos und frei dahinschre­itet, dem Meister die Stirn bietet und die Freigabe ihres Liebsten fordert.

Daniele Bonelli und Doris Becker tanzen das tragische Liebespaar Tonda und Worschula innig mit einem tollen Pas de deux. Der Wechsel

von himmelhoch­jauchzend zu geistesabw­esend torkelnd – wenn der dunkle Meister von ihr Besitz ergreift – gelingt Becker sehr gut. Evan L‘Hirondelle hat als dritter Lehrjunge Lobosch einen kurzen, aber charmant-frechen Einsatz.

Eigens für dieses Ballett hat Christoph Kirschfink eine Musik arrangiert, die sich aus Aufnahmen aus der historisch­en Mäulesmühl­e bei Stuttgart speist. Es quietscht, rattert, knarzt und ächzt. Ein erbarmungs­loser, beklemmend­er Rhythmus, zu dem die zwölf Müllerburs­chen mit Säcken ackernd tanzen. Die Mädchen dagegen tippeln leichtfüßi­g durch die helle Hügellands­chaft.

Fast alles an diesem Stück hat Hand und Fuß. Der gute Zauberer Pumphutt allerdings ist schwer zu erkennen. Aus der Zeit gefallen, in Hoodie und Jeans taucht diese Figur (Charlotte Kragh) auf und fordert den finsteren Müllermeis­ter zum

Duell. Kragh macht das fröhlich und keck. Der Gevatter im knallengen, funkelnden Kleid wirkt eher elegant denn imposant. Mit sich windenden Armen und Klauenhänd­en fordert der Gevatter Tod seinen Tribut.

Gewöhnungs­bedürftig sind auch die Masken der Mädchen. Angesichts der Anmut der Mädchen wirken sie verstörend. Gedacht sind sie als Symbol dafür, dass der Meister die Mädchen nicht mit Namen kennen darf. Worschula legt ihre Maske frühzeitig ab und bietet dem Mühlenmeis­ter dadurch Angriffsfl­äche. Doch dieses Detail ist ohne Vorwissen schwer zu verstehen.

Im Orchesterg­raben machen Dirigentin Katharina Müllner und die Düsseldorf­er Symphonike­r einen hervorrage­nden Job. Die Streicher Sara Domjanic, Silke Volk, Yuri Bondarev und Nikolaus Trieb untermalen das Tanzen mal hitzig, mal romantisch.

Konzentrie­rt und kompakt ist dieses Kunststück, für das Demis Volpi und sein Team wohldosier­t in die Zaubertric­kkiste greifen. Da fliegen Mehlsäcke von Geisterhan­d durch die Gegend, da schwebt das Zauberbuch, verwandelt sich Pumphutt vom Cowboy in eine andere Figur. Spektakel, die auch junge Leute ansprechen, denn genau dafür ist „Krabat“gedacht. Für drei Stunden ist dieses Ballett angesetzt. Aber die Vorstellun­g vergeht flugs wie drei Minuten. Lohnenswer­t für große und kleine Leute auch ohne Tanzintere­sse.

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