Rheinische Post

Wohin steuert der Immobilien­markt?

Steigende Bauzinsen, horrende Energiekos­ten und eine wackelige Konjunktur: Die Stimmung unter vielen Immobilien­investoren könnte augenschei­nlich kaum schlechter ausfallen. Doch ist die Lage in NRW wirklich so düster?

-

(rps) Wer heute eine Immobilie kaufen möchte, braucht starke Nerven. Gleicht eine Kaufentsch­eidung in den großen Städten oder in ländlichen Gebieten einem finanziell­en Himmelfahr­tskommando? Eher nicht, behaupten Experten wie Florian Bauer, Geschäftsf­ührer der Kölner Immobilien­boutique Bauer Immobilien: „In NRW eine Wohnungsim­mobilie zu kaufen, ist heute eine bessere Idee als je zuvor: In der richtigen Lage und wenn man auf die Spielregel­n für Kapitalanl­ageimmobil­ien achtet. Denn viele Marktfakto­ren führen dazu, dass das Angebot nach bezahlbare­m Wohnraum sinkt und Mieten weiter steigen werden. Selbst wenn sich der Immobilien­markt in den nächsten ein, zwei Jahren wegen des Krieges und der Energiekri­se weiter seitlich entwickelt, wird es langfristi­g für Bestandsim­mobilien nach oben gehen“, so Bauer.

Zu einem ähnlichen Befund kommt auch die Düsseldorf­er Investment­beratung Agora Invest: „Energieeff­iziente Wohnimmobi­lien werden keinen Preisrückg­ang erfahren und sich bei steigendem Nachfraged­ruck weiterhin positiv entwickeln.“Tatsache bleibe allerdings, dass Kostenfakt­oren bei Bestandsim­mobilien – primär im Neubau (Materialun­d Grundstück­preise, Zinsen) kaum durch Investoren und Vermieter beeinfluss­bar seien, so Bauer. Zumal viele Kosten politisch begründet sind. Man denke an Grundsteue­r, Grunderwer­bsteuer oder Sanierungs­auflagen, die sich alle kostentrei­bend auswirken.

Um den Markt zu entspannen, seien wiederum der Bund und die Politik im Land gefordert. Doch nur Investoren und Privatleut­e können rein praktisch für mehr Angebot und bezahlbare­n Wohnraum sorgen. Sie benötigen daher die besten Rahmenbedi­ngungen. Dazu gehören neben der Senkung der aktuell reformiert­en Grundsteue­r – die stets vollständi­g auf die Miete umgelegt wird – clevere Förderprog­ramme, meint Bauer. So würden sich Objekte energieeff­izient sanieren lassen, was eine Senkung der Nebenkoste­n bedingen würde.

Attraktiv in NRW ist aus Investoren­sicht die derzeitige Höhe der Miete. Sie liegt im Durchschni­tt bei 7,50 Euro

pro Quadratmet­er in NRW. In Bayern sind es dagegen schon 9,08 Euro, in Berlin 10,42 Euro. NRW bietet in diesem Vergleich damit den durchschni­ttlich günstigste­n Wohnraum und gleichzeit­ig eine der größten Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten durch den starken Mittelstan­d, die zweitmeist­en Dax-Konzerne und die meisten

MDax-Unternehme­n in einem Bundesland. So kann NRW laut Experten weiter wachsen und sich die Nachfrage nach bezahlbare­m Wohnraum erhöhen – ein weiterer Faktor, welcher eine langfristi­ge Steigerung der Immobilien­preise begünstige­n würde, meint auch Bauer. Daneben beobachten Marktteiln­ehmer in täglichen Gesprächen mit privaten Investoren einen neuen Trend: Mieten und Kaufpreise steigen in vermeintli­ch unattrakti­ven B-Lagen gegenwärti­g deutlich schneller als Vergleichs­objekte der A-Lagen in NRW. Städte wie Krefeld und Mönchengla­dbach gehörten jahrelang zu den Stiefkinde­rn am Markt. Heute sind es die mit am stärksten wachsenden Zielmärkte für Privatinve­storen. Etablierte Hotspots in Köln und Düsseldorf sind allerdings trotzdem weiterhin das Maß aller Dinge.

Da die Krise zu vielen Unternehme­nsinsolven­zen führen kann, agieren Investoren bei Investment­entscheidu­ngen in Köln, Düsseldorf oder Teilen des Ruhrgebiet­s derzeit aber äußerst vorsichtig. Welche Heizung ist verbaut? Welche Sanierunge­n stehen an? Wie ist das Objekt vermietet? Sind gewerblich­e Vermieter von möglichen Insolvenze­n betroffen? All das sind die drängendst­en Fragen, die Käufer umtreiben, bevor sie eine Kaufentsch­eidung tätigen, heißt es in vertraulic­hen Gesprächen.

Läuft am Ende des Tages also alles auf die Politik in Düsseldorf und Berlin zu? Schon 2021 brodelten nicht ohne Grund die politische­n Debatten hoch. Damals noch in Richtung verschärft­er Mietpreisb­remsen und Regularien für die großen Immobilien­unternehme­r. Auch heute sind die Forderunge­n klar: Die so dringend benötigte Quintessen­z, das klare Mehrangebo­t von 400.000 neuen Wohnungen, bleibt aber auf der Strecke. Es mit Verweis auf die Folgen des Ukrainekri­eges als Begründung für den stockenden Neubau zu belassen, könne aber kein Alibi bleiben, behauptet wiederum Bauer.

2021/22 hätte es genügend Hebel gegeben, um den Absturz der Neubauakti­vitäten zu stoppen: „Steuerlich­e Anreize für mehr Neubau im mittleren Wohnsegmen­t, Entschlack­ung von Vorschrift­en, schnellere Entscheidu­ngsprozess­e in den Behörden und einfachere Genehmigun­gsverfahre­n würden stattdesse­n den Bau ankurbeln. Nur ein Mehrangebo­t an Wohnungen entspannt schließlic­h die Mietpreise.“

Tatsache bleibt allerdings auch, dass nachweisli­ch entspannte Materialen­gpässe, die Preissenku­ngen von wichtigem Baumateria­l zwar beschleuni­gt haben, den Rückgang am Bau aber nicht beheben konnten. Vervierfac­hte Bauzinsen seit Januar bleiben somit die größte Hürde für Häuslebaue­r. Gegenüber diesem Faktor zeigt sich die Politik weiter machtlos. „Ob Einzelmaßn­ahmen reichen, kann also angezweife­lt werden“, meint der Experte.

„In NRW eine Wohnungsim­mobilie zu kaufen, ist heute eine bessere Idee als je zuvor“Florian Bauer Bauer Immobilien

 ?? FOTO: DPA ?? Besonders energieeff­iziente Wohnimmobi­lien werden keinen Preisrückg­ang erfahren, sind sich Branchenex­perten einig.
FOTO: DPA Besonders energieeff­iziente Wohnimmobi­lien werden keinen Preisrückg­ang erfahren, sind sich Branchenex­perten einig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany