Kritik aus NRW: 49-Euro-Ticket zu teuer
Der Nachfolger des Neun-Euro-Abos ist Gewerkschaften, Verbraucherschützern, Schülern und Studierenden nicht günstig genug. Sie wünschen sich eigene Lösungen. Die schwarz-grüne Landesregierung steckt in der Zwickmühle.
DÜSSELDORF Nach der Einigung von Bund und Ländern auf ein 49-Euro-Ticket dringen Verbände und Experten in Nordrhein-Westfalen auf Zusatzangebote für Ärmere, Studierende und Fahrradfreunde. „Wir brauchen zusätzlich ein Sozialticket von maximal 29 Euro für diejenigen, die 49 Euro monatlich nicht stemmen können“, sagte Anja Weber, Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, unserer Redaktion. Wenn es keine bundesweite Lösung für 29 Euro gebe, solle „die Landesregierung ein eigenes Sozialticket auf den Weg bringen“.
Dem schließen sich Verbraucherzentrale, Fahrgastverband Pro Bahn sowie Grüne und SPD an. „Der Preis von 49 Euro ist nur für Pendler auf längeren Strecken interessant“, sagte Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der NRW-Verbraucherzentrale: „Zumindest für ein regionales Ticket sollte eine Senkung auf 29 Euro geprüft werden, perspektivisch wäre ein Sozialticket für 19 Euro denkbar.“ Derzeit kostet ein Sozialabo beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr ( VRR) 39,80 Euro im Monat und gilt in Preisstufe A nur am Wohnort.
Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn forderte, zusätzlich zum 49-Euro-Ticket müsse es günstigere Angebote nur in der Region geben. Und Gordon Dudas von der SPD-Landtagsfraktion sagte, für Geringverdiener solle es ein Ticket für einen Euro am Tag geben. Auch die NRW-Grünen entschieden am Wochenende, es solle für „Menschen mit geringeren Einkommen“ein Angebot unterhalb von 49 Euro geben.
Aber auch Schüler und Studenten dringen auf Spezialangebote. Die Landesschülervertretung NRW hielte es für richtig, wenn alle Schüler und Auszubildenden ein kostenloses Ticket zumindest in der Region erhalten. Derzeit erstattet der Staat die Hin- und Rückfahrt zur Schule nur bei längeren Strecken, während das im ganzen VRR gültige „Schokoticket“im Monat 38 Euro kostet.
Studierende können schon bisher in ganz Nordrhein-Westfalen für einen Betrag zwischen 30 und 40 Euro pro Monat Busse und Regionalbahnen nutzen, weil die Hochschulen einen Gruppenvertrag für das Semester abschließen. Den Betrag müssen allerdings auch die Studenten zahlen, die den Nahverkehr nicht nutzen. Doch anstatt nur zu fordern, dass die NRW-Tickets künftig bundesweit gelten, wünschen sich die Studierendenvertretungen auch, dass nur rund 22 Euro im Monat für das dann bessere Angebot fällig werden. Ihr Hauptargument für den weiteren Rabatt ist, dass ein Zwangsticket für alle Studenten und Studentinnen juristisch nur durchsetzbar sei, wenn es auch einen echten Mehrwert gegenüber den frei erwerbbaren Tickets bringe.
Alle Interessengruppen bemängeln einen Schwachpunkt der bundesweiten Politik: Zwar soll das 49-Euro-Abo, nun „DeutschlandTicket“genannt, für drei Milliarden Euro von Bund und Ländern finanziert werden – aber genügend Mittel für einen breiten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs seien nicht eingeplant. „Bund und Länder müssen dringend den Investitionsstau im ÖPNV lösen und dauerhaft in Personal und Infrastruktur investieren“, sagte beispielsweise DGBChefin Weber. Bezahlbarer Nahverkehr nutze niemandem, „wenn das Personal überlastet ist und die Züge fehlen“. Das sieht auch Verbraucherschützer Schuldzinski so: „Wir brauchen einen konsequenten Ausbau des Nahverkehrs, damit ihn mehr Menschen gerne nutzen.“
Die Politik steckt in der Zwickmühle. Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) hat bereits mehrfach betont, er strebe neben dem 49-Euro-Abo auch noch bessere Angebote für besondere Zielgruppen an; doch wie das finanziert werden soll, ist unklar. Auch hält er es für zwingend, mehr Geld für neue Strecken auszugeben, doch die Mittel sind knapp. „Um die Qualität halten und um sie erhöhen zu können, sind langfristig stabile Investitionen nötig“, betonte VRR-Vorstand José Luis Castrillo: „Das ist der entscheidende Hebel zur Stärkung des ÖPNV.“
Dabei hängen attraktive Angebote und ein Ausbau der Kapazitäten eng zusammen. So fordert der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, dass die Mitnahme von Zweirädern im Nahverkehr grundsätzlich kostenlos ist – allerdings ist gerade zu Stoßzeiten in den S-Bahnen nur wenig Platz für Fahrräder vorhanden.