Eiszeit zwischen Iran und Europa
Die Spannungen wachsen, auch wegen der Proteste in der Islamischen Republik.
TEHERAN/ISTANBUL „Lang und schwierig“– so beschreibt die französische Außenministerin Catherine Colonna ihr Telefonat mit ihrem iranischen Kollegen Hossein Amirabdollahian. Sieben Franzosen sitzen im Iran in Haft, und auch Deutsche, Österreicher, Spanier, Schweden sind festgenommen worden, weil sie die Protestwelle gegen die Islamische Republik angefacht haben sollen. Amirabdollahian droht mit Konsequenzen gegen die europäische Unterstützung für die Demonstranten, die EU will unterdessen neue Sanktionen gegen Teheran beschließen. Zwischen dem Iran und Europa beginnt eine neue politische Eiszeit.
Nach dem Ausbruch der Proteste, die sich im September am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in der Gewalt der Religionspolizei entzündeten, hatten sich europäische Spitzenpolitiker zunächst mit Kritik an der iranischen Führung zurückgehalten. Doch inzwischen sind mehr als 300 Menschen bei Gewalteinsätzen der Polizei gegen die Demonstranten getötet worden, rund 15.000 sollen festgenommen worden sein. Der von jungen Frauen angeführte Aufstand für mehr Freiheit im Iran stößt in Europa auf viel Sympathie. EU-Regierungen gerieten wegen ihrer vorsichtigen Haltung deshalb innenpolitisch unter Druck.
Inzwischen verfolgt Europa in Wort und Tat einen härteren Kurs. Bundeskanzler Olaf Scholz warf dem Iran jetzt „Brutalität und Menschenverachtung“vor und versprach den iranischen Demonstranten seine Unterstützung. „Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt?“, fragte der Kanzler in einer Videobotschaft. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron empfing die iranisch-amerikanische Aktivistin Masih Alinejad, eine prominente Kritikerin der Islamischen Republik. Macron bezeichnete den Aufstand als „Revolution“.
Die EU-Außenminister wollen an diesem Montag ein neues Sanktionspaket beschließen und damit nach Medienberichten die Vermögenswerte von 31 iranischen Regimevertretern und Organisationen einfrieren. Zuvor hatte Europa bereits mit Sanktionen auf die Religionspolizei und die Revolutionsgarde gezielt. Deutschland fordert zudem die Einstufung der iranischen Revolutionsgarde als Terrororganisation und hat zusammen mit Island eine Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrates zur Lage im Iran beantragt. Iran betrachtet das europäische Engagement als Einmischung. Außenminister Amirabdollahian reagiert besonders allergisch auf Stellungnahmen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die Teheran „eine beispiellose neue Härte“im Umgang mit Dissens vorwirft. Amirabdollahian antwortete mit der Androhung von „Konsequenzen“.
EU-Regierungen befürchten, dass die Festnahme von Europäern zu dieser Reaktion gehören könnte, und rufen ihre Bürger auf, den Iran zu verlassen. Frankreichs Außenministerin Colonna sagte nach ihrem Telefonat mit Amirabdollahian, wenn die iranische Regierung die Festnahmen für Erpressungsversuche nutzen wolle, werde sie scheitern.