Rheinische Post

Eiszeit zwischen Iran und Europa

Die Spannungen wachsen, auch wegen der Proteste in der Islamische­n Republik.

- VON THOMAS SEIBERT

TEHERAN/ISTANBUL „Lang und schwierig“– so beschreibt die französisc­he Außenminis­terin Catherine Colonna ihr Telefonat mit ihrem iranischen Kollegen Hossein Amirabdoll­ahian. Sieben Franzosen sitzen im Iran in Haft, und auch Deutsche, Österreich­er, Spanier, Schweden sind festgenomm­en worden, weil sie die Protestwel­le gegen die Islamische Republik angefacht haben sollen. Amirabdoll­ahian droht mit Konsequenz­en gegen die europäisch­e Unterstütz­ung für die Demonstran­ten, die EU will unterdesse­n neue Sanktionen gegen Teheran beschließe­n. Zwischen dem Iran und Europa beginnt eine neue politische Eiszeit.

Nach dem Ausbruch der Proteste, die sich im September am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in der Gewalt der Religionsp­olizei entzündete­n, hatten sich europäisch­e Spitzenpol­itiker zunächst mit Kritik an der iranischen Führung zurückgeha­lten. Doch inzwischen sind mehr als 300 Menschen bei Gewalteins­ätzen der Polizei gegen die Demonstran­ten getötet worden, rund 15.000 sollen festgenomm­en worden sein. Der von jungen Frauen angeführte Aufstand für mehr Freiheit im Iran stößt in Europa auf viel Sympathie. EU-Regierunge­n gerieten wegen ihrer vorsichtig­en Haltung deshalb innenpolit­isch unter Druck.

Inzwischen verfolgt Europa in Wort und Tat einen härteren Kurs. Bundeskanz­ler Olaf Scholz warf dem Iran jetzt „Brutalität und Menschenve­rachtung“vor und versprach den iranischen Demonstran­ten seine Unterstütz­ung. „Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinne­n und Bürger schießt?“, fragte der Kanzler in einer Videobotsc­haft. Der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron empfing die iranisch-amerikanis­che Aktivistin Masih Alinejad, eine prominente Kritikerin der Islamische­n Republik. Macron bezeichnet­e den Aufstand als „Revolution“.

Die EU-Außenminis­ter wollen an diesem Montag ein neues Sanktionsp­aket beschließe­n und damit nach Medienberi­chten die Vermögensw­erte von 31 iranischen Regimevert­retern und Organisati­onen einfrieren. Zuvor hatte Europa bereits mit Sanktionen auf die Religionsp­olizei und die Revolution­sgarde gezielt. Deutschlan­d fordert zudem die Einstufung der iranischen Revolution­sgarde als Terrororga­nisation und hat zusammen mit Island eine Sondersitz­ung des UN-Menschenre­chtsrates zur Lage im Iran beantragt. Iran betrachtet das europäisch­e Engagement als Einmischun­g. Außenminis­ter Amirabdoll­ahian reagiert besonders allergisch auf Stellungna­hmen von Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock, die Teheran „eine beispiello­se neue Härte“im Umgang mit Dissens vorwirft. Amirabdoll­ahian antwortete mit der Androhung von „Konsequenz­en“.

EU-Regierunge­n befürchten, dass die Festnahme von Europäern zu dieser Reaktion gehören könnte, und rufen ihre Bürger auf, den Iran zu verlassen. Frankreich­s Außenminis­terin Colonna sagte nach ihrem Telefonat mit Amirabdoll­ahian, wenn die iranische Regierung die Festnahmen für Erpressung­sversuche nutzen wolle, werde sie scheitern.

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