Rheinische Post

Der Terror ist zurück in Istanbul

Bei einer Explosion im Zentrum sind mindestens sechs Menschen gestorben.

- VON SUSANNE GÜSTEN

ISTANBUL Der Albtraum ist wieder da: Sirenengeh­eul und das Knattern der Polizei-Hubschraub­er erfüllen die Luft über dem Taksim-Platz im Herzen von Istanbul, mit rotierende­n Blaulichte­rn warten Rettungswa­gen am Eingang zur Flaniermei­le auf dem Istiklal-Boulevard, auf der eine Stunde zuvor noch Tausende Menschen bummelten. „Geht weg, geht auseinande­r, geht fort von hier“, schreit ein bewaffnete­r Uniformier­ter in die Menge, die hinter den Absperrung­en auf Nachricht von Vermissten wartet. Weinende, schreiende und verstörte Menschen werden aus der Fußgängerz­one herausgefü­hrt. „Sie ist in Stücke gerissen worden“, schreit eine junge Frau. Fünf Jahre lang ist Istanbul verschont geblieben von Terroransc­hlägen, doch nun ist der Terror wieder da.

Zehntausen­de Menschen schieben sich an sonnigen Nachmittag­en wie diesem den Istiklal-Boulevard entlang – Einheimisc­he wie Touristen. Um 16.20 Uhr Ortszeit geht eine Bombe hoch. In Medienberi­chten ist von einer schwarz gekleidete­n Person in einer Kapuzenjac­ke die Rede, die vor der Explosion eine Tasche auf einer der Bänke abgestellt habe. Ein Handy-Video auf Twitter, das einige Hundert Meter vom Explosions­ort entfernt aufgenomme­n wird, zeichnet einen rotorangef­arbenen Feuerball auf, der aus der Menschenme­nge hochschieß­t. Passanten auf der Istiklal laufen schreiend davon. Mindestens sechs Menschen sterben, am Abend ist von 81 Verletzten die Rede.

Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht von einem Bombenansc­hlag, an dem nach ersten Erkenntnis­sen eine Frau beteiligt gewesen sei. Die Polizei sperrt den Boulevard, der sich gerade erst zu erholen begann seit dem Terrorjahr 2016, das der 16-Millionen-Stadt Blut und Tränen brachte. Zwölf deutsche Touristen starben damals im Januar bei einem Selbstmord­anschlag vor der Blauen Moschee; ein weiterer Anschlag mit mehreren Toten und vielen Verletzten folgte im März auf dem Boulevard. Im Juni 2016 starben zwölf Menschen bei einem Anschlag auf einen Polizeibus, und kurz darauf wurden fast 50 Menschen bei einem Terrorangr­iff auf den Flughafen getötet. Ein Anschlag vor dem Fußballsta­dion von Besiktas kostete im Dezember 2016 fast 50 Menschen das Leben, und in der letzten Nacht des Jahres erschoss ein Terrorist in einem Nachtclub am Bosporus fast 40 Menschen. Damals gingen einige Anschläge auf das Konto des sogenannte­n Islamische­n Staates (IS), zu anderen bekannte sich die kurdische Splittergr­uppe TAK.

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FOTO: AP Polizisten sperren den Zugang zur Einkaufsst­raße.

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