Der Terror ist zurück in Istanbul
Bei einer Explosion im Zentrum sind mindestens sechs Menschen gestorben.
ISTANBUL Der Albtraum ist wieder da: Sirenengeheul und das Knattern der Polizei-Hubschrauber erfüllen die Luft über dem Taksim-Platz im Herzen von Istanbul, mit rotierenden Blaulichtern warten Rettungswagen am Eingang zur Flaniermeile auf dem Istiklal-Boulevard, auf der eine Stunde zuvor noch Tausende Menschen bummelten. „Geht weg, geht auseinander, geht fort von hier“, schreit ein bewaffneter Uniformierter in die Menge, die hinter den Absperrungen auf Nachricht von Vermissten wartet. Weinende, schreiende und verstörte Menschen werden aus der Fußgängerzone herausgeführt. „Sie ist in Stücke gerissen worden“, schreit eine junge Frau. Fünf Jahre lang ist Istanbul verschont geblieben von Terroranschlägen, doch nun ist der Terror wieder da.
Zehntausende Menschen schieben sich an sonnigen Nachmittagen wie diesem den Istiklal-Boulevard entlang – Einheimische wie Touristen. Um 16.20 Uhr Ortszeit geht eine Bombe hoch. In Medienberichten ist von einer schwarz gekleideten Person in einer Kapuzenjacke die Rede, die vor der Explosion eine Tasche auf einer der Bänke abgestellt habe. Ein Handy-Video auf Twitter, das einige Hundert Meter vom Explosionsort entfernt aufgenommen wird, zeichnet einen rotorangefarbenen Feuerball auf, der aus der Menschenmenge hochschießt. Passanten auf der Istiklal laufen schreiend davon. Mindestens sechs Menschen sterben, am Abend ist von 81 Verletzten die Rede.
Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht von einem Bombenanschlag, an dem nach ersten Erkenntnissen eine Frau beteiligt gewesen sei. Die Polizei sperrt den Boulevard, der sich gerade erst zu erholen begann seit dem Terrorjahr 2016, das der 16-Millionen-Stadt Blut und Tränen brachte. Zwölf deutsche Touristen starben damals im Januar bei einem Selbstmordanschlag vor der Blauen Moschee; ein weiterer Anschlag mit mehreren Toten und vielen Verletzten folgte im März auf dem Boulevard. Im Juni 2016 starben zwölf Menschen bei einem Anschlag auf einen Polizeibus, und kurz darauf wurden fast 50 Menschen bei einem Terrorangriff auf den Flughafen getötet. Ein Anschlag vor dem Fußballstadion von Besiktas kostete im Dezember 2016 fast 50 Menschen das Leben, und in der letzten Nacht des Jahres erschoss ein Terrorist in einem Nachtclub am Bosporus fast 40 Menschen. Damals gingen einige Anschläge auf das Konto des sogenannten Islamischen Staates (IS), zu anderen bekannte sich die kurdische Splittergruppe TAK.