Toben in der Tonhalle
Der Auftritt der Gorillaz in Düsseldorf war etwas Besonderes – nicht nur wegen der MTV-Aufzeichnung.
DÜSSELDORF Ein paar Minuten steht man in der Schlange. Sicherheitspersonal weist einen darauf hin, die Taschen zu leeren und Gegenstände wie Schlüssel, Handys oder Portemonnaies in eine Kiste zu legen, bevor man schließlich durch den Metalldetektor geht. Das alles findet nicht am Düsseldorfer Flughafen, sondern im Eingangsbereich der Tonhalle statt. Hier treten im Rahmen der MTV World Stage die Gorillaz auf, alles wird aufgezeichnet und weltweit übertragen. Daher sind zwei Kamera-Schienen vor der Bühne installiert. Dazwischen sitzt Publikum. Und das wirkt ganz schön nervös kurz vor Beginn der Show der britischen Band.
Verständlich, kommt man doch Musikstars selten so nah wie heute. Doch bevor das so sein wird, sind Stimmen aus dem Off zu hören. Eine männliche spricht Englisch, eine weibliche Deutsch. Sie wünschen den Zuschauern viel Spaß, weisen jedoch mit einem latent strengen Unterton darauf hin, dass jegliche Benutzung von Kameras und
Smartphones verboten sei und man im Falle eines Zuwiderhandelns aus dem Saal hinausgeführt werde. Außerdem könne es während des Konzertes zu Verzögerungen kommen, da es sich um eine Fernsehproduktion handelt. Ein leichtes Unwohlsein durchzuckt die Tonhalle.
Zeit, sich weiter auszubreiten, hat das aber nicht, denn schon ein paar Sekunden später geht das Licht aus, leise betritt die Band um Damon Albarn
die Bühne, er winkt den Zuschauern zu, dann geht es los mit dem Song „Last Living Souls“. Der Sound: astrein. Jede einzelne Saite, jeder Tom-Schlag, jedes gesungene Wort ist im Detail zu hören. Die Zuschauer hält es nicht auf ihren Sitzplätzen. Albarn sucht sofort den Kontakt zu den Menschen, wie ein Wirbelsturm rennt er immer wieder von links nach rechts, springt auf die Monitorboxen und in den Bühnengraben, flirtet ein bisschen mit den Kameras. Beinahe wirkt es so, als hätte er sich das alles genau so fest vorgenommen an diesem besonderen Abend. Litaneiartig singt er „We‘re the last living souls“.
Besonders wichtig im Laufe der TV-Aufzeichnung ist den Gorillaz – eine virtuelle Band, die aus den Comicfiguren 2-D (Gesang), Murdoc Niccals (Bass), Russel Hobbs (Schlagzeug) und Noodle (Gitarre) bestehen – ihre neue Single „Cracker Island“. Für die kommt extra der amerikanische Bassist Thundercat auf die Bühne. Die Nummer rockt ganz gut, die Synthis geben ihr ein poppiges Korsett, und eines ist klar: Das achte Studioalbum der Briten, das im Februar kommenden Jahres erscheinen wird, könnte ein großer Wurf für Albarn und Co. werden. Große Würfe waren auch schon ihre Songs „Feel Good Inc.“und „Clint Eastwood“zu Beginn des letzten Jahrzehnts. Die Gorillaz haben das natürlich nicht vergessen und spielen die beiden Hits am Ende ihrer Show. Rapper Kelvin Mercer heizt das Publikum an, „no one will tell me how to feel“, ruft er in sein Mikro. Die etwa 600 Zuschauer brüllen es ihm nach. Wie Hypnose ist das. Und dann geht es los: „Sha, sha-ba-da, sha-ba-da-ca, feel good“. Der Saal steht. Der Saal tobt. Die Tonhalle erlebt so etwas nicht alle Tage.
Auch nicht, dass ein Song für eine Fernsehaufzeichnung am Ende eines Konzertes noch ein zweites Mal gespielt werden muss. Das aber passiert. Also: Die Band kommt noch einmal brav auf die Bühne. „Cracker Island“, die Zweite. Bitte recht freundlich. Und Albarn, der ist freundlich. Stürzt sich hinein in die Ränge, schüttelt Hände, küsst die eine oder andere Stirn. Dann ist Schluss. „Tschüss“, sagt er noch schüchtern. Weg sind die Gorillaz.