Cormac McCarthy legt sein großes Werk vor
Der US-Bestsellerautor veröffentlicht mit „Der Passagier“und „Stella Maris“einen Doppelroman.
Cormac McCarthy ist der große Einzelgänger der amerikanischen Literatur. Nur wenige Interviews hat er gegeben; Lesungen und Signierstunden verweigert er, weil er sie für „Prostitution“hält. Dabei hätte er das Geld lange Jahre sehr gut gebrauchen können. Seine ersten vier Romane verkauften sich mäßig, sodass er zeitweise unter einfachsten Verhältnissen in einer Hütte lebte, wie seine zweite Frau Anne nach der Scheidung ausplauderte: „Unser Badezimmer war der See.“Als ein Angebot über 2000 Dollar für einen Gastvortrag an einer Universität eingetrudelt sei, habe ihr Mann mit den Worten abgelehnt, alles, was er zu sagen habe, stehe in seinen Büchern.
Zeiten ändern sich. Menschen bleiben sich treu. Obwohl der 1933 in Providence als Sohn eines Anwalts geborene McCarthy durch die Hollywood-Verfilmungen von „All the Pretty Horses“(1992) und „No Country for Old Men” (2005) zum Bestsellerautor und mit dem National Book Award sowie dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde, lebt er immer noch zurückgezogen auf einer Ranch in New Mexico und meidet den Literaturbetrieb. In einem seiner wenigen Interviews mit Oprah Winfrey in der Bibliothek des Santa Fe Institute erklärte McCarthy, dass er persönlich keine Schriftsteller kenne und den Umgang mit Wissenschaftlern vorziehe. Ihn fasziniere, was Physiker im 20. Jahrhundert getan hätten.
Sein lange erwarteter neuer Roman setzt genau da an. Genau genommen sind es sogar zwei Romane. Denn im Abstand von einem Monat erscheinen mit „Der Passagier“
und „Stella Maris“zwei Bücher, die zusammengelesen eine Geschichte ergeben. Erzählt wird darin aus zwei unterschiedlichen Perspektiven die Familiengeschichte von Bobby Western und seiner Schwester Alicia. Ihr Vater entwickelt mit Robert Oppenheimer in Los Alamos die Atombombe. Und obwohl sowohl Bobby als auch Alicia seine Intelligenz geerbt haben, bekommen sie im Leben keinen Fuß auf den Boden. Physik- und Mathematik-Studium lassen sie sausen. Während Bobby nach dem frühen Krebstod der Eltern das geerbte Geld in eine Karriere als Autorennfahrer in Europa investiert, scheitert und nach seiner Rückkehr in die USA Bergungstaucher wird, lässt Alicia sich mit einer Plastiktüte voll Geld wegen Halluzinationen in die Psychiatrie einweisen und begeht schließlich Suizid.
Liegt der Fokus in „Stella Maris“auf Alicia, ihren Gedanken über Physik und Philosophie sowie den Gesprächen mit ihrem Psychiater, so steht in „Der Passagier“ihr Bruder Bobby im Zentrum. Bei einem Bergungseinsatz soll er ein abgestürztes Flugzeug erkunden und stellt dabei fest, dass neben Pilotenkoffer und Blackbox ein Passagier fehlt. Neun Leichen findet er im Wrack, zehn müssten es sein. Die Dinge geraten in Bewegung.
Der Doppelroman ist nicht brutal, er erinnert wie zuletzt „The Road“(2006) in seinem Existenzialismus eher an Samuel Beckett. Keine Frage: Mit „Der Passagier“und „Stella Maris“legt der Amerikaner mit 89 Jahren sein Opus magnum vor.
Info Der Passagier. Rowohlt, 528 Seiten, 28 Euro; Stella Maris. Rowohlt, 240 Seiten, 24 Euro.