Rheinische Post

EU intensivie­rt Ausbildung ukrainisch­er Soldaten

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Nach den Bildern von den begeistert­en Menschen auf den Straßen von Cherson habe für die EU das Wort „Befreiung“eine ganz andere Bedeutung bekommen, sagt Deutschlan­ds Außenminis­terin Annalena Baerbock an diesem Montag zu Beginn eines Außenminis­tertreffen­s in Brüssel. Sie bezieht es in erster Linie auf die Rückerober­ung ukrainisch­er Gebiete durch ukrainisch­e Streitkräf­te. Die EU sei fest entschloss­en, die „Menschen in der Ukraine in ihrem Befreiungs­kampf weiter zu unterstütz­en“. In Sachen Freiheit richten sich die Augen der EU-Akteure aber nicht nur auf die Ukraine. Auch Belarus und der Iran stehen in Brüssel im Fokus.

So treffen sich die Außenminis­ter am Morgen zunächst mit der belarussis­chen Opposition­sführerin Swetlana Tichanowsk­aja. Mit seiner Unterstütz­ung für den russischen Angriffskr­ieg habe Machthaber Alexander Lukaschenk­o die Menschen in Belarus „zu Gefangenen dieses Krieges“gemacht. In jüngster Zeit seien erneut rund 300 Menschen willkürlic­h verhaftet, verschlepp­t und ins Gefängnis gesteckt worden. Sie hätten nichts anderes gewollt, als für die Zukunft ihrer Kinder zu sorgen. Mit dem Treffen will Baerbock den „mutigen Menschen“in Belarus ein Signal senden: „Wir stehen an der Seite der demokratis­chen Kräfte“– und jener Politiker, die „die Wahlen eigentlich gewonnen“hätten.

Auch EU-Außenbeauf­tragter Josep Borrell steht unter dem Eindruck der Befreiung Chersons – und auch dem ukrainisch­en Vorrücken auf der anderen Seite des Flusses Dnipro. Dies könne „der Wendepunkt des Krieges“sein, mutmaßt Borrell. Zugleich hat der Spanier ein Projekt nach Monaten beharrlich­en Drängens über die

Ziellinie gebracht:

Die Außenminis­ter geben an diesem Montag, die Verteidigu­ngsministe­r an diesem Dienstag den Startschus­s zur größten Ausbildung­smission in der Geschichte der Union. Angelegt auf zwei Jahre, sollen zunächst 15.000 ukrainisch­e Soldatinne­n und

Soldaten mit Schwerpunk­t in Polen und Deutschlan­d militärisc­h geschult werden.

Zwar laufen Ausbildung­en von ukrainisch­en Kämpfern bereits seit Monaten. Doch das sind vereinzelt­e Mannschaft­en. Nun sollen ganze Kompanien, am Ende vielleicht Brigaden das lernen, was in der EU Nato-Standard ist – bei der ABC-Abwehr, der Minenbekäm­pfung, in der Sanität und vor allem der Einsatztak­tik. Deutschlan­d konzentrie­rt sich auf das Training der Ausbilder, die das Gelernte in der Ukraine weitergebe­n können, und auf die militärstr­ategische Planung.

Die Vorbereitu­ngen waren in den vergangene­n Wochen beschleuni­gt worden in der Erwartung, dass mit dem nahenden Winter die Dynamik an der Front zurückgehe­n wird und beide Seiten diese Phase nutzen werden, um ihre Kräfte neu aufzustell­en – und eben auch auf ukrainisch­er Seite, militärisc­h auszubilde­n.

Der bisherige Schwerpunk­t deutscher Militärhil­fe auf die Luftabwehr hat sich zuletzt ausgezahlt. Zwar richteten die russischen Angreifer massive Schäden in der ukrainisch­en Energiever­sorgung an, doch konnten auch viele der aus dem Iran besorgten Kampfdrohn­en rechtzeiti­g abgeschoss­en werden. Borrell berichtete von Kontakten mit der iranischen Führung, bei denen er sowohl den Stopp der Militärhil­fe

für Russland als auch ein Ende der Gewalt gegen die eigene Bevölkerun­g als Bedingunge­n der EU klargemach­t habe.

Die Außenminis­ter brachten ein weiteres Sanktionsp­aket gegen das iranische Regime auf den Weg. Davon getroffen würden der „engere Machtzirke­l der Revolution­sgarden“und die Strukturen, die sie finanziert­en, erläuterte Baerbock: 29 Personen, wie etwa der iranische Innenminis­ter Ahmad Vahidi, und drei Organisati­onen. Damit umfasst die Sanktionsl­iste gegen den Iran nun 126 Personen und elf Organisati­onen. Die Arbeiten an weiteren Maßnahmen gingen weiter. „Wir senden ein erneutes und zwar unmissvers­tändliches Signal an das iranische Regime“, unterstric­h Baerbock.

„Wir stehen an der Seite der demokratis­chen Kräfte in Belarus“Annalena Baerbock Bundesauße­nministeri­n

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