Rheinische Post

Dem Bitcoin-Hype droht das Ende

Krisen wie die bei der Plattform FTX zerstören Vertrauen. Zudem leidet die Branche unter teurer Energie und steigenden Zinsen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Drei Tage nach der Insolvenza­nkündigung der Kryptowähr­ungsbörse FTX erregt schon die nächste Plattform öffentlich­es Aufsehen. Diesmal geht es um Krypto. com – ein Handelspla­tz, von dem zuletzt etwa 400 Millionen Euro an den Rivalen Gate.io überwiesen worden waren. Das hat offensicht­lich gereicht, um Spekulatio­nen über Unregelmäß­igkeiten bei Krypto.com zu schüren. Unternehme­nschef Kris Marszalek hat sofort jeden Zusammenha­ng mit FTX zurückgewi­esen – und das Geld ist offenbar auch schon wieder zurück. Aber die Unsicherhe­it bleibt. Transaktio­nsfehler, wie sie in dem Fall passiert sind, steigern nicht unbedingt das Vertrauen der Investoren.

Nun hat es Unsicherhe­iten auf dem Markt für Kryptowähr­ungen in den vergangene­n Jahren schon zuhauf gegeben. Etliche steile Anstiege und ebenso steile Abstürze der Kurse von Bitcoin und Co. haben jenen recht gegeben, die vor den extremen Preisschwa­nkungen und vor großen Investment­s in das Cybergeld gewarnt haben. Wobei auch hier natürlich gilt: Wer den richtigen Zeitpunkt für Ein- und Ausstieg geschafft hat, der hat womöglich viel Geld verdient. Nur leider schaffen das nicht viele. Entspreche­nd urteilt Chris-Oliver Schickenta­nz, Leiter des Portfoliom­anagements beim Frankfurte­r Vermögensv­erwalter Capitell: „Wer Geld in Kryptowähr­ungen anlegt, der investiert nicht, sondern er spekuliert. Das ist Spielgeld.“

Die FTX-Insolvenz ist ein markantes Beispiel dafür, wie Vertrauen in einen Markt immer mehr verloren geht. Das haben auch renommiert­e Großbanken registrier­t, die zuletzt damit begonnen hatten, Kryptowähr­ungen und deren Entwicklun­g regelmäßig zu analysiere­n, aber ihre Aktivitäte­n jetzt zurückgefa­hren haben. Da spielt natürlich auch die Sorge mit, sich irgendwann haftbar zu machen. Bei FTX sind Kundengeld­er offenbar verliehen worden. FTX hielt angeblich nur einen kleinen Teil der Kryptowähr­ungen, die Nutzer auf der Handelspla­ttform verwahrt hatten. Das klingt nicht gerade nach einer vertrauens­bildenden Maßnahme. „Das Geschehen auf den Plattforme­n ist nicht transparen­t, so wie es bei den Kryptowähr­ungen immer suggeriert wurde. Sie sind ein unregulier­ter Teil des Finanzmark­tes, und dabei sollten Anleger immer vorsichtig sein“, rät Schickenta­nz.

Abseits der aktuellen Probleme bei FTX sind die Zeiten für Kryptowähr­ungen ohnehin nicht gut. Das hat auch mit der Zinspoliti­k in den Vereinigte­n Staaten und in Europa zu tun. Sowohl in den USA als auch in der Eurozone sind die Zinsen in den vergangene­n Monaten merklich gestiegen. Und das dürfte sich in näherer Zukunft kaum ändern, weil die Zentralban­ken sich bemühen, die hohe Inflation zu bekämpfen. Solcherlei Geldpoliti­k hat aber die Konsequenz, dass sicher verzinste Geldanlage­n an Attraktivi­tät verlieren, während risikoreic­he Investment­s

ihren Reiz verlieren. Das gilt dann nicht für Aktien und Gold, sondern auch für das Kryptogeld. Ein Beleg dafür ist der Bitcoin-Kurs. Der fiel binnen eines Jahres um fast drei Viertel auf deutlich weniger als 17.000 US-Dollar. Jene, die sich damit vor der Geldentwer­tung durch die Inflation schützen wollten, haben womöglich viel Geld verloren. „Enttäuscht­e Anleger lecken jetzt ihre Wunden“, sagt Schickenta­nz.

Die Entwicklun­g der Zinsen ist ein Grund dafür, warum dem jahrelange­n Krypto-Hype das Ende droht. Ein anderer sind die gewaltigen Kosten, die bei der Produktion von neuem Kryptogeld entstehen. Solange die Preise für Gas und Strom im Zaum blieben, war das Verpulvern von Energie kein Problem. Seit dem Beginn des russischen Angriffskr­iegs auf die Ukraine hat sich das aber geändert – zumindest in Europa, während in den USA wegen der geringeren Abhängigke­it von Russland die Preise bei Weitem nicht so drastisch stiegen wie in der sogenannte­n Alten Welt. Seit Ende Februar ist jedenfalls der Kostendruc­k gestiegen, und um das aufzufange­n, haben Miner angefangen, Teile ihrer Bestände abzugeben. Auch sie müssen Strom bezahlen, auch sie müssen ihre Kreditschu­lden abtragen, auch sie müssen Mieten aufbringen. Miner sind diejenigen, die durch das Lösen komplizier­ter Rechenaufg­aben die Blockchain fortschrei­ben und dadurch neue Bitcoins herstellen. Ihre Verkaufsak­tionen haben zusätzlich­en Preisdruck ausgelöst.

Viele tun sich derzeit damit schwer, eine klare Prognose für die Entwicklun­g der Kryptokurs­e abzugeben. Für den Analysten Timo Emden von Emden Research ist das fehlende Vertrauen auf jeden Fall Grund genug, in nächster Zeit einen massenhaft­en Abzug von Geldern bei Kryptobörs­en zu fürchten: „Ein derartiges Ereignis könnte eine sich selbstvers­tärkende Dynamik auslösen und zu weitreiche­nden Kursverlus­ten führen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany