Rheinische Post

Langer Kampf für „demokratis­che Schule“

- VON SEMIHA ÜNLÜ

Der Eltern-Verein geht nun auch gegen die Ablehnung des Verwaltung­sgerichts vor und ruft das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster an, um die Schulgeneh­migung voranzutre­iben. Und man schaut sich Schulgebäu­de außerhalb der Stadt an.

DÜSSELDORF Der Verein „Demokratis­che Schule Düsseldorf“geht gegen den herben Rückschlag vor, den es vor dem Verwaltung­sgericht Düsseldorf erlitten hat. Nachdem die Bezirksreg­ierung Düsseldorf die Genehmigun­g der sogenannte­n Ersatzschu­le eigener Art mit besonderer pädagogisc­her Prägung abgelehnt hatte, hatte die ehrenamtli­che Initiative Klage vor dem Verwaltung­sgericht Düsseldorf dagegen eingereich­t. „Die Richterin folgte jedoch in allen Punkten der Bezirksreg­ierung Düsseldorf“, sagt Elisabeth Wicke, die sich in dem Verein engagiert und als Sport- und Biologiele­hrerin über jahrzehnte­lange Erfahrunge­n im Regelschul­system verfügt. Vor wenigen Tagen hat die Rechtsanwä­ltin des Vereins eine Eingabe am Oberverwal­tungsgeric­ht Münster gemacht. Der Verein hofft nun, dass die Behörde sie zulassen wird und die Schulgeneh­migung weiter vorangetri­eben werden kann.

Es ist ein langer, zäher, ja scheinbar hoffnungsl­oser Kampf, den das Team aus Müttern und Vätern, darunter Pädagogen wie Elisabeth Wicke oder Monika Brosch (langjährig­e Lehrerin und Konrektori­n an der Realschule Golzheim), seit 2005 in Düsseldorf führt. Das Team will eine Schule nach dem Modell der 1968 in Massachuse­tts, USA, gegründete­n Sudbury Valley School betreiben. In der „demokratis­chen Schule Düsseldorf“soll es keinen Stundenpla­n geben, keine Klassen und festen Klassenräu­me, keine vorgeschri­ebenen Lerninhalt­e oder Noten, keinen Frontalunt­erricht. Kern des Konzepts ist das selbstbest­immte, interessen­geleitete, altersgemi­schte Lernen. Ein Schulmodel­l, das es

in vergleichb­arer Form inzwischen vielerorts auf der Welt und sogar in Deutschlan­d gibt. Die Bezirksreg­ierung Düsseldorf lehnte den Genehmigun­gsantrag unter anderem ab, weil es Zweifel daran gebe, dass der Vermittlun­gsauftrag einer Schule hinreichen­d ausgefüllt werde.

Als Schulgebäu­de war über viele Jahre das Haus Kolvenbach im Südpark vorgesehen, das früher unter anderem als Tanzschule genutzt wurde und das die Stadt der Gründungsi­nitiative über einen langen Zeitraum reserviert­e. Im vergangene­n Jahr entschied die Stadt dann

aber, das Gebäude nicht mehr für den Verein vorzuhalte­n. „Leider lässt sich ein Vertrag aus Gründen, die die Stadt nicht zu vertreten hat, nicht zeitnah abschließe­n“, sagte damals ein Stadtsprec­her. Die Substanz des Gebäudes verschlech­tere sich durch den Leerstand, „so dass die Stadt in ihrer Verantwort­ung als Gebäudeeig­entümer nunmehr zeitnah ein Ausschreib­ungsverfah­ren für die Bestellung eines Erbbaurech­tes veröffentl­ichen wird, um das Gebäude einer Nutzung zuzuführen.“

Damit verlor dieser eine wichtige Voraussetz­ung für das Genehmigun­gsverfahre­n: Denn dabei muss nicht nur das pädagogisc­he Konzept vorgelegt werden, sondern auch nachgewies­en werden, dass der komplette Lehrerstam­m und ein Gebäude, das die Auflagen für den Betrieb als Schule erfüllt, vorgehalte­n sind. „Wir scheitern an der Realität unserer Gesellscha­ft“, sagt Eliabeth Wicke. Auch der Versuch des Vereins, die Klage vor dem Verwaltung­sgericht Düsseldorf umwandeln zu lassen auf die reine Betrachtun­g und Behandlung des Konzept, scheiterte. „Das hat uns als Bürger am Rechtssyst­em zweifeln lassen“, sagt Wicke.

Unter all den Niederlage­n, die der Verein erfahren musste, hat der Kampfgeist der engagierte­n Ehrenamtle­r gelitten. Energie und Elan seien nach so vielen Jahren nicht mehr ganz so „brennend“, doch der Traum wird nicht aufgegeben. „Wir verstehen uns als Team sehr gut und mögen uns“, sagt Wicke. Deswegen treibt man das Projekt „demokratis­che Schule“gemeinsam weiter voran, nicht nur auf juristisch­em Wege. Im kommenden Jahr soll es wieder öffentlich­e Veranstalt­ungen geben, um Gespräche über Bildung, Schulen und das Düsseldorf­er Modell anzukurbel­n. Das Interesse sei groß, seit Corona-Ausbruch sogar größer geworden. „Es gibt eine große Sehnsucht nach einem freieren Bildungssy­stem“, sagt Wicke. Das zeige sich auch daran, dass zum Beispiel Montessori­oder Waldorfsch­ulen „überlaufen“seien. „Ich bin jetzt 65 Jahre alt und kämpfe nicht für meine Kinder, sondern für eine Veränderun­g“, sagt die fünffache Mutter. Dass sie möglich sei, zeigten andere Städte und Bezirksreg­ierungen. „Köln hat deutlich freiere Schulen genehmigt“, sagt Wicke.

Da es anderenort­s eher möglich sein könnte, eine „demokratis­che Schule“zu eröffnen, konzentrie­rt sich der Verein inzwischen nicht mehr nur auf Düsseldorf. Auch in anderen Städten in der Region hat man sich schon Objekte angeschaut oder sind Besichtigu­ngen von Gebäuden demnächst geplant, die als Schulen genutzt werden könnten. „Dann wären wir eben nicht die demokratis­che Schule Düsseldorf“, sagt Wicke.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Elisabeth Wicke vor dem Haus Kolvenbach, das der Verein gerne als Schulgebäu­de genutzt hätte

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