BAP schöpfen aus dem Vollen
Die Kölschrocker um Frontmann Niedecken bereiteten in Düsseldorf einen klassisch-souveränen Abend.
DÜSSELDORF Jeder kennt die Drama-Struktur nach Aristoteles: Exposition, Steigerung, Höhepunkt, retardierendes Moment und Katastrophe. Beim Konzert der KultKölschrockband BAP um Frontmann Wolfgang Niedecken in der Mitsubishi-Electric-Halle läuft es genau nach diesem Plan. Nur die Katastrophe bleibt aus.
„It was a Very Good Year“von Frank Sinatra erklingt, währenddessen kommt die Band auf die Bühne. Niedecken trägt ein schwarzes T-Shirt und einen schwarzen Cowboyhut. Sehr unaufgeregt kommt das alles daher, weit weg von Glitzer und Glamour. Der verhaltene Applaus der etwa 5000 Fans passt dazu. Und BAP fackeln auch nicht lange, legen los mit „Hück ess sing Band en der Stadt“. Klassischer BAP-Auftakt, klassischer BAP-Sound: Saxofon, angezerrte Gitarre, Orgel-Klänge und ein amtlicher Background-Gesang. Die Band groovt sich ein. Fertig ist die Exposition.
Das geht dann ein paar Nummern so weiter, BAP verstehen etwas von musikalisch-dynamischen
Übergängen. Das Publikum holen sie dabei stets ins Boot, in vielen Songpassagen klatscht und singt es mit. Letzteres versteht sich beinahe wie von selbst bei Texten wie „Wisch-Wasch, Wisch-Wasch / Wisch-Wasch, Wisch-Wasch“. Mehr als 40 Jahre alt ist der Song „Waschsalon“mittlerweile, von seiner Fetzigkeit und seiner positiven Energie jedoch hat er nicht ein Quäntchen verloren. Das macht Laune. Die Kölner Urgesteine sind angekommen in Düsseldorf, und Niedecken verspricht: „Keine Düsseldorf-Witze heute Abend, Ehrenwort!“Fertig ist die Steigerung.
Und wer eine solche Songauswahl hat, der kann aus dem Vollen schöpfen. „Alexandra, nit nur do“haben BAP heute mit im Gepäck, es ist das Lied der Soli. Schlagzeuger Sönke Reich zeigt, was er kann. Geschickt fädelt er sein virtuoses Trommelspiel in die Tonabfolge ein. Fast wirkt es, als flüstere er den Becken und Fellen mit seinen Drumsticks etwas zu, bevor er wild-entfacht wie von einem anderen Planeten spielt. Und Niedecken: Der verweist auf die Aktualität seiner Texte, die er in den 70er- und 80er-Jahren geschrieben hat. Überrascht sei er von deren Zeitlosigkeit immer wieder. „Plant mich bloß nit bei üch en“singt er dann für die jungen russischen Männer, die nicht in den Krieg ziehen wollen. Das berührt. Genau wie auch der „Liebeslieder-im-SitzenBlock“, wie Niedecken ihn nennt. Da erzählt er plötzlich von seiner jüngsten Tochter Josephine, die kleine Jojo sei heute eine erwachsene Frau. Das ist stark. „Mittlerweile Josephine“: Fertig ist der Höhepunkt.
Der „Müsli Män“aus der Kategorie „Lieder, die wir ewig nicht mehr gespielt haben“gehört definitiv auch noch dazu – herrlich, wie Niedecken so durch das Programm führt – mit der allseits bekannten Nummer „Aff un zo“drehen BAP noch einmal so richtig auf: kölscher Reggae in Reinform. Fertig ist das retardierende Moment.
Wie gesagt, eine Katastrophe bleibt aus. Allein die Luft ist nach mehr als zwei Stunden etwas raus, einzelne Soli wirken allzu monoton, die Zuschauer in den hinteren Reihen ermüden etwas. Erst das Gitarrenriff, das auf keiner 80er-Jahre-Party fehlen darf, bringt wieder Leben in die Bude: „Verdamp lang her“singen alle im Chor. Fertig ist BAP.