Rheinische Post

Explosione­n in Polen

Russische Raketen sollen unweit der Grenze zur Ukraine eingeschla­gen sein. Der polnische Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki hat wegen einer nicht näher bezeichnet­en Krisensitu­ation eine Sitzung des Sicherheit­srates einberufen.

- VON NICOLE KAMPE

WARSCHAU/WASHINGTON/DÜSSELDORF (rtr/dpa/ap) Bei einem Einschlag russischer Raketen in Polen sind unbestätig­ten Medienberi­chten zufolge am Dienstag zwei Menschen ums Leben gekommen. Der polnische Hörfunk-Sender ZET berichtete, zwei verirrte russische Raketen seien in Przewodów nahe der Grenze zur Ukraine niedergega­ngen. Die Nachrichte­nagentur AP meldete unter Berufung auf US-Geheimdien­stkreise ebenfalls, bei dem Einschlag russischer Raketen seien zwei Menschen getötet worden. Das US-Verteidigu­ngsministe­rium teilte wiederum mit, Berichte über den angebliche­n Einschlag von zwei russischen Raketen in Polen zu prüfen. Die Presseberi­chte seien dem Pentagon bekannt, sagte ein Sprecher am Dienstagab­end in Washington. Zum jetzigen Zeitpunkt habe das Ministeriu­m aber keine Informatio­nen, die diese Berichte bestätigen könnten. „Wenn wir ein Update zur Verfügung stellen können, werden wir dies tun“, sagte der Sprecher weiter. Ein Vertreter der polnischen Feuerwehr bestätigte zwei Tote bei einer Explosion. „Es ist unklar, was geschehen ist“, sagte der diensthabe­nde Beamte.

Der polnische Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki hat wegen einer nicht näher bezeichnet­en Krisensitu­ation eine Sitzung des Sicherheit­srates seines Landes einberufen. Das meldete die Nachrichte­nagentur PAP. Offizielle Angaben zu der Krise wurden zunächst nicht gemacht, Berichte legten allerdings einen Zusammenha­ng mit dem massiven russischen Raketenbes­chuss auf das Nachbarlan­d Ukraine vom Dienstag nahe.

Es wäre der erste derartige Vorfall in dem seit fast neun Monaten dauernden russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Polen ist Mitglied der EU und des westlichen Verteidigu­ngsbündnis­ses Nato. Regierungs­sprecher Piotr Müller warnte allerdings davor, ungeprüfte Informatio­nen zu verbreiten. Eine Stellungna­hme der Regierung in Moskau lag zunächst nicht vor.

Russland hatte am Dienstag Dutzende Ziele in der Ukraine mit Raketen angegriffe­n. Die ukrainisch­e Luftwaffe berichtete von bis zu 100 Geschossen. Ziel sei vor allem das Energiesys­tem der Ukraine gewesen, hieß es. Es war ukrainisch­en Militärang­aben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruk­tur seit Kriegsbegi­nn vor gut acht Monaten. Etwa sieben Millionen Haushalte saßen den Behörden zufolge am Dienstag zeitweise im Dunkeln, weil der Strom ausfiel oder abgeschalt­et werden musste.

Zwar sei es gelungen, etwa 70 der anfliegend­en Geschosse abzuschieß­en, teilte das ukrainisch­e Präsidiala­mt in Kiew mit. Doch 15 Objekte der Energiever­sorgung in verschiede­nen Landesteil­en seien getroffen worden, sagte Vizechef Kyrylo Tymoschenk­o auf Telegram. Auch die Hauptstadt Kiew wurde getroffen, wobei nach Behördenan­gaben eine Frau getötet wurde.

Trotz der Treffer bekräftigt­e Präsident Wolodymyr Selenskyj den Durchhalte­willen der Ukraine. Der Feind werde sein Ziel nicht erreichen, sagte der 44-Jährige in einer Videobotsc­haft. Alles werde repariert und die Stromverso­rgung wieder hergestell­t. Gleichzeit­ig lobte er die Ukrainer: „Ihr seid Prachtkerl­e!“Außenminis­ter Dmytro Kuleba verlangte, die in Indonesien tagende G20-Gruppe führender Wirtschaft­smächte solle den Angriff verurteile­n.

Die US-Regierung verurteilt­e die Raketenang­riffe Russlands auf die Ukraine umgehend. „Während die Staats- und Regierungs­chefs der Welt auf dem G20-Gipfel auf Bali zusammenko­mmen, um Fragen zu erörtern, die für das Leben und Auskommen der Menschen auf der ganzen Welt von großer Bedeutung sind, bedroht Russland erneut diese Leben und zerstört die kritische Infrastruk­tur der Ukraine“, teilte der Nationale Sicherheit­sberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, mit.

Tymoschenk­o bezeichnet­e die Situation in Bezug auf die Energieinf­rastruktur als „kritisch“. „Die meisten Treffer wurden im Zentrum und im Norden des Landes festgestel­lt“, schrieb er im Nachrichte­ndienst Telegram. Der staatliche Energiever­sorger Ukrenerho habe zu außerorden­tlichen Stromabsch­altungen übergehen müssen, um das Netz zu stabilisie­ren. In Kiew war den Behörden zufolge etwa die Hälfte der Stadt ohne Strom. Über der Hauptstadt dauerte der Luftalarm am Dienstag knapp vier Stunden.

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