Explosionen in Polen
Russische Raketen sollen unweit der Grenze zur Ukraine eingeschlagen sein. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat wegen einer nicht näher bezeichneten Krisensituation eine Sitzung des Sicherheitsrates einberufen.
WARSCHAU/WASHINGTON/DÜSSELDORF (rtr/dpa/ap) Bei einem Einschlag russischer Raketen in Polen sind unbestätigten Medienberichten zufolge am Dienstag zwei Menschen ums Leben gekommen. Der polnische Hörfunk-Sender ZET berichtete, zwei verirrte russische Raketen seien in Przewodów nahe der Grenze zur Ukraine niedergegangen. Die Nachrichtenagentur AP meldete unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise ebenfalls, bei dem Einschlag russischer Raketen seien zwei Menschen getötet worden. Das US-Verteidigungsministerium teilte wiederum mit, Berichte über den angeblichen Einschlag von zwei russischen Raketen in Polen zu prüfen. Die Presseberichte seien dem Pentagon bekannt, sagte ein Sprecher am Dienstagabend in Washington. Zum jetzigen Zeitpunkt habe das Ministerium aber keine Informationen, die diese Berichte bestätigen könnten. „Wenn wir ein Update zur Verfügung stellen können, werden wir dies tun“, sagte der Sprecher weiter. Ein Vertreter der polnischen Feuerwehr bestätigte zwei Tote bei einer Explosion. „Es ist unklar, was geschehen ist“, sagte der diensthabende Beamte.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat wegen einer nicht näher bezeichneten Krisensituation eine Sitzung des Sicherheitsrates seines Landes einberufen. Das meldete die Nachrichtenagentur PAP. Offizielle Angaben zu der Krise wurden zunächst nicht gemacht, Berichte legten allerdings einen Zusammenhang mit dem massiven russischen Raketenbeschuss auf das Nachbarland Ukraine vom Dienstag nahe.
Es wäre der erste derartige Vorfall in dem seit fast neun Monaten dauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Polen ist Mitglied der EU und des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato. Regierungssprecher Piotr Müller warnte allerdings davor, ungeprüfte Informationen zu verbreiten. Eine Stellungnahme der Regierung in Moskau lag zunächst nicht vor.
Russland hatte am Dienstag Dutzende Ziele in der Ukraine mit Raketen angegriffen. Die ukrainische Luftwaffe berichtete von bis zu 100 Geschossen. Ziel sei vor allem das Energiesystem der Ukraine gewesen, hieß es. Es war ukrainischen Militärangaben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruktur seit Kriegsbeginn vor gut acht Monaten. Etwa sieben Millionen Haushalte saßen den Behörden zufolge am Dienstag zeitweise im Dunkeln, weil der Strom ausfiel oder abgeschaltet werden musste.
Zwar sei es gelungen, etwa 70 der anfliegenden Geschosse abzuschießen, teilte das ukrainische Präsidialamt in Kiew mit. Doch 15 Objekte der Energieversorgung in verschiedenen Landesteilen seien getroffen worden, sagte Vizechef Kyrylo Tymoschenko auf Telegram. Auch die Hauptstadt Kiew wurde getroffen, wobei nach Behördenangaben eine Frau getötet wurde.
Trotz der Treffer bekräftigte Präsident Wolodymyr Selenskyj den Durchhaltewillen der Ukraine. Der Feind werde sein Ziel nicht erreichen, sagte der 44-Jährige in einer Videobotschaft. Alles werde repariert und die Stromversorgung wieder hergestellt. Gleichzeitig lobte er die Ukrainer: „Ihr seid Prachtkerle!“Außenminister Dmytro Kuleba verlangte, die in Indonesien tagende G20-Gruppe führender Wirtschaftsmächte solle den Angriff verurteilen.
Die US-Regierung verurteilte die Raketenangriffe Russlands auf die Ukraine umgehend. „Während die Staats- und Regierungschefs der Welt auf dem G20-Gipfel auf Bali zusammenkommen, um Fragen zu erörtern, die für das Leben und Auskommen der Menschen auf der ganzen Welt von großer Bedeutung sind, bedroht Russland erneut diese Leben und zerstört die kritische Infrastruktur der Ukraine“, teilte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, mit.
Tymoschenko bezeichnete die Situation in Bezug auf die Energieinfrastruktur als „kritisch“. „Die meisten Treffer wurden im Zentrum und im Norden des Landes festgestellt“, schrieb er im Nachrichtendienst Telegram. Der staatliche Energieversorger Ukrenerho habe zu außerordentlichen Stromabschaltungen übergehen müssen, um das Netz zu stabilisieren. In Kiew war den Behörden zufolge etwa die Hälfte der Stadt ohne Strom. Über der Hauptstadt dauerte der Luftalarm am Dienstag knapp vier Stunden.