Rheinische Post

In der Ruhe liegt der Frieden

- VON MORITZ DÖBLER

Wie gefährlich ist die Lage? Diese Frage stellt sich in den fast neun Monaten seit der Großinvasi­on Russlands in der Ukraine immer wieder neu. Die Nato-Staaten liefern Waffen, aber wollen auf keinen Fall Kriegspart­ei werden. Ein Atomkrieg muss vermieden werden. Aber was, wenn Wladimir Putin Polen angriffe, wie es das Nato-Land im Osten schon lange befürchtet? Dann wäre es der Bündnisfal­l, bei dem alle anderen für den einen Partner einstehen.

Die Berichte von den zwei russischen Raketen, die angeblich auf polnischem Gebiet eingeschla­gen sind, lösen daher naturgemäß weitreiche­nde Ängste aus. Dass sowohl Polen als auch die USA mit Bedacht reagieren, ist ein wichtiges Signal. Es spricht viel dafür, dass es fehlgeleit­ete Raketen waren, die eigentlich auf dem Territoriu­m der Ukraine niedergehe­n sollten. Das Horror-Szenario des Kalten Krieges, dass ein Versehen, ein Irrtum zum atomaren Schlagabta­usch führt, der sich nicht stoppen lässt, scheint vorerst abgewendet zu sein.

Aber selbst, wenn sich diesmal Entwarnung andeutet, ist die Gefahr nicht gebannt. Der Krieg in der Ukraine könnte sich aus vergleichs­weise nichtigen Anlässen ausweiten, wie die aktuelle Nachrichte­nlage eben nur zu deutlich zeigt. Hinzu kommt aber: Wer rote Linien überschrei­tet, wie es Russland mit dem Ukraine-Feldzug getan hat, wer diese roten Linien offensicht­lich auch bewusst testet, drängt sich nicht als Verhandlun­gspartner auf.

Es ist also zum einen die Ruhe, in der die Kraft liegt, die es für den Frieden braucht. Zum anderen muss der Westen wie bisher beherzt an der Seite der Ukraine stehen und auch andere Nationen überzeugen. Dafür war der G20-Gipfel auf Bali ein gutes Signal: Das Abschlussd­okument verurteilt den russischen Angriffskr­ieg und soll mit großer Mehrheit verabschie­det werden.

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