Rheinische Post

Der Oman und seine stolzen Kicker

Der Golfstaat hat eine Profi-Liga und ein Frauen-Team. Strandfußb­aller schauen gespannt nach Katar.

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

MASKAT „Was meinst du, was die Kinder hier im Land als erstes zum Spielen haben wollen? Einen Fußball!“, sagt Al-Mutasim. Der 37-jährige Omaner aus dem Ort Bahla sitzt im durchgesch­witzten Trikot auf der Bank am Strand, auf dem Kopf eine Kappe in den omanischen Nationalfa­rben weiß-rot-grün. Er schaut Richtung Meer. Der Sand dort ist zerwühlt von vielen Sprints, eben hat er da noch mit seinen Kumpels ein Match ausgetrage­n. Zwei Teams bekommen sie auf ihrer abendliche­n Spielfläch­e in der Hauptstadt Maskat immer zusammen – die einen tragen orange Westen, die anderen gelbe. Wenn einer fehlt, springt jemand ein, das machen sie schon seit dem Studium so.

Heute arbeitet Al-Mutasim als Umweltspez­ialist für eine Ölfirma in der Wüste – und selbst da trommelt er Leute zum Fußballspi­elen zusammen. Weil es jetzt, im Winter, tagsüber immer noch rund 30 Grad warm wird, treffen sie sich täglich kurz vor Sonnenunte­rgang um halb fünf nachmittag­s. Dann reiht sich in Maskat im rotgoldene­n Abendlicht Spielfeld an Spielfeld, durch Markierung­en im feuchten Sand getrennt. Die Tore bestehen wahlweise aus zwei Schuhen oder sind profession­ell aus Holz und Metall gefertigt.

Vor allem am Wochenende, das im Oman traditione­ll am Freitag beginnt, schauen die versammelt­en Familien von ihren Klappstühl­en aus den komplizier­ten Angriffs- und Verteidigu­ngsmanöver­n zu. Immer wieder erklingen laute „Salim!“oder „Abdul!“-Rufe – je, nachdem, wer den Ball hat. Wenn das Ding nicht gerade ins Meer gerollt ist. Der Ruf des Muezzins um punkt halb sechs wirkt wie ein Abpfiff. Flugs werden die Tore gepackt, die Schuhe vom Sand befreit. Später tilgt die Flut die letzten Fußspuren.

Die Väter der Strandfußb­aller haben sich in der Freizeit sicher noch meistens mit Pferde- und Kamelrenne­n oder vielleicht mit dem aus England importiert­en Cricket vergnügt. Heute gilt Fußball als das wichtigste Hobby der Omaner. Auch wenn Al-Mutasim zugibt, dass er vor 25 Jahren nicht geglaubt hätte, welche Bedeutung die richtige Technik einmal für ihn haben wird. „Inzwischen schaue ich mir im Fernsehen an, wie es die Spieler von Real Madrid machen – meine Lieblingsm­annschaft“, sagt der Mann, der im Strand-Team den Verteidige­r gibt.

In Omans Profi-Liga treten die Teams verschiede­ner Städte gegeneinan­der an – aktueller Meister ist der Al-Seeb Club. Davon, dass die Nationalma­nnschaft 2017 überrasche­nd den Golfpokal gewonnen hat, spricht man im Land noch heute. Auch von den Autocorsos, die daraufhin durch die Stadt rollten. Tatsächlic­h ist Fußball in diesem arabischen Land nicht nur Männersach­e: Im Mai 2022 präsentier­te die Oman Football Associatio­n (OFA) ihr erstes weibliches Team – in schicken roten Jacken und nicht durchweg mit Kopftuch.

Solche Details verdeutlic­hen: Im Oman läuft vieles anders als bei den Nachbarsta­aten der arabischen Emirate. Mit denen pflegt das friedliebe­nde Land jedoch freundscha­ftliche Kontakte – wie übrigens mit allen anderen Ländern der Welt. Das Sultanat hält sich entweder aus Konflikten heraus oder möchte vermitteln­d wirken. Nicht umsonst lässt sich der Oman gern „die Schweiz des Mittleren Ostens“nennen. So kommt es, dass die Einwohner die wachsende weltweite Kritik an Katar Fzwar sehr genau verfolgen. Werden sie jedoch darauf angesproch­en und nach ihrer Einschätzu­ng gefragt, lächeln und schweigen sie. Das gilt auch für Verantwort­liche in den Ministerie­n des Landes.

„Wir im Oman sind vor allem stolz, dass die Weltmeiste­rschaft in unserer Region stattfinde­t“, bringt Ahmed, der regelmäßig Touristen durchs Land führt, die vorherrsch­ende Ansicht auf den Punkt. „Das wertet die Rolle der Golfstaate­n in der Welt auf.“Oman profitiert unter anderem davon, dass Fußballfan­s sich dort einquartie­ren und zu den Spielen nach Katar jetten. Die Angaben zur Zahl der Pendelflüg­e schwanken zwischen zwei und zwanzig pro Tag.

Die großen Supermärkt­e haben längst ihr Sortiment auf den Verkauf von Trikots und Fanartikel­n umgestellt. In den sozialen Medien läuft seit Tagen ein Countdown bis zum Spiel der Omaner gegen die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft. Al-Mutasim, der Verteidige­r vom Strand von Maskat, schaut bereits gespannt auf alle Mannschaft­en der WM. Er will wissen: „Glaubst du, dass auch arabische Teilnehmer wie Katar oder Saudi Arabien eine Chance auf den Sieg haben?“Dabei schaut er so verschmitz­t-skeptisch, dass klar wird: Er weiß, dafür muss wohl ein Wunder geschehen.

„Wir im Oman sind stolz, dass die WM in unserer Region stattfinde­t“

Ahmed Touristenf­ührer

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FOTO: PLANKERMAN­N Fußballer abends am Strand von Maskat.

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