Rheinische Post

Nahöstlich­e Beziehunge­n

Von Ungerechti­gkeiten, starren Konvention­en und der Sorge um die jungen Frauen im Iran und in Syrien.

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Vor mir die Kiste: Pokale und Medaillen aus drei Jahrzehnte­n. Verliehen von männlichen Würdenträg­ern nahöstlich­er Unis. Hinter mir viel Arbeit in Jordanien: Studenten fit gemacht für Klimawande­l und Arbeitsmar­kt. Im Tandem mit Markus Reiffersch­eid, dem Entwicklun­gsleiter der in Düsseldorf ansässigen SMS Group. Mit an Bord: jordanisch­e Firmen. Abgetaucht: einheimisc­he Uni-Würdenträg­er.

Das Abtauchpro­blem erklärten meine arabischen Freunde Osama und Haider folgenderm­aßen: „Deutsche Männer rudern im Strom der vermeintli­chen Erfolge, ohne die sie zu verkümmern glauben – arabische Männer suchen das rettende Ufer. Dabei hilft die weiße Lüge, eine Mischung aus Vorwand und Verschlage­nheit. Um aus einer Zusage auszusteig­en, reichen absurde Geldforder­ungen oder die Krankheit entfernter Verwandter.“

Erinnerung­en an die Arbeit im Iran werden wach. Dort hatte ich mit dem einheimisc­hen Professor eine Konferenz organisier­t, zu der Studenten und Henkel-Manager aus Deutschlan­d anreisten. Mein „Kollege“ließ unsere Assistenti­n Ariannia die Nachricht von der Krankheit der Tante seines Schwagers überbringe­n. Und mich ließ er einfach sitzen – pflichtver­schleiert auf dem Podium.

Menschen in Nahost sind mittlerwei­le mutlos. Ich bin es auch. Hat meine viele Arbeit überhaupt etwas bewirkt? Die Zustände im Iran machen mich fassungslo­s: Frauen werden verschlepp­t, verhaftet, totgeprüge­lt. Syrien ist kaputt. Mit korrupten Kunstgebil­den kompensier­en die Emirate und Saudi Arabien. Und Katar? Der Gedanke an die WM in Kühl-Käfigen lässt mich schaudern.

Wie geht es meinen Studenten? Leben die Iranerinne­n noch? Die mir auf der Damentoile­tte ohne Schleier mitteilten, wie viel Mut ich ihnen machte. Meine syrischen Studentinn­en? Die „meinen“Hörsaal mit Blumen dekorierte­n und Jasminduft versprühte­n. Meine Mitarbeite­rinnen in Aleppo? Die für den Umgang mit arabischen Männern empfahlen: „They are babies, treat them like babies“.

Frauen bewegen Nahost – Männer fallen hinter ihnen zurück. Unsere Arbeit vor Ort zeigt immer wieder, dass sich „echte“arabische Kerle über Karre, Kohle und hübsche Hausfrauen definieren.

Wir versuchen es als Vorbild. Die „2“von unserem Projekt „adapt2job“bedeutet: der Manager und die Professori­n. Dazu gemischte Tandems der lokalen Partner, um die andere „Beziehungs­kiste“zu zeigen: auf Augenhöhe. Eine zarte Pflanze, von der wir hoffen, dass sie aufgeht. Gießen und hegen müssen sie die neuen Männer und Frauen in Nahost. Dafür bleibe ich am Ball: Trübe Gedanken hinter mir – der nächste Nahosteins­atz vor mir.

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FOTO: PULST Edda Pulst ist Professori­n an der Westfälisc­hen Hochschule Gelsenkirc­hen.

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