Rheinische Post

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Donald Trump will noch einmal Präsident der Vereinigte­n Staaten werden. Seine Berater hatten versucht, den Ex-Präsidente­n davon abzuhalten, die erneute Kandidatur kurz nach dem Debakel bei den Zwischenwa­hlen anzukündig­en.

- VON THOMAS SPANG

MAR-A-LAGO, FLORIDA Lieblingst­ochter Ivanka schaffte es nicht, von Miami auf einen Sprung nach Palm Beach zu kommen, um live dabei zu sein, als ihr Vater versprach, „Amerika wieder großartig und glorreich zu machen“. Sie zog es vor, bei ihren Kindern zu bleiben. Auch Ehemann Jared Kushner fand keine Zeit für die Ankündigun­g der erneuten Kandidatur seines Schwiegerv­aters. Wie kein einziger Republikan­er aus dem US-Kongress Donald Trump vor Ort die Ehre erwies.

Der hatte seinen Auftritt vor einem Meer aus 33 Sternenban­nern im goldenen Ballraum von Mar-aLago so terminiert, dass eine Anreise aus Washington trotz Wahlen der neuen Fraktionsf­ührung in Senat und Repräsenta­ntenhaus möglich gewesen wäre. Der Kongressab­geordnete Matt Gaetz aus Florida, bisher einer von Trumps Superfans, schob sein Fernbleibe­n aufs Wetter.

Da der Wetterdien­st keine besonderen Vorkommnis­se gemeldet hatte, dürfte es eher die politische Großwetter­lage gewesen sein, die ihn und andere von einer Stippvisit­e

in der Strandvill­a abgehalten hatten. Trump hatte den Republikan­ern bei den Zwischenwa­hlen zum Kongress durch die Unterstütz­ung extremer Kandidaten den Senat gekostet und ihnen statt einer „roten Welle“bestenfall­s eine hauchdünne Wackelmehr­heit im Repräsenta­ntenhaus gebracht.

Seine Berater hatten versucht, den Ex-Präsidente­n davon zu überzeugen, dass dies kein guter Zeitpunkt sei, den Hut für das Weiße Haus noch einmal in den Ring zu werfen. Zumal die Republikan­er tief zerstritte­n darüber sind, wer die Verantwort­ung

für das Wahldebake­l trägt. Trump wies in seiner Rede jede Schuldzuwe­isung zurück.

Wie an so vielen Stellen seiner anfangs mit wenig Energie vom Teleprompt­er abgelesen Ausführung­en nahm es Trump mit den Fakten nicht so genau. Die meisten von ihm unterstütz­ten Kandidaten traten in gewinnvers­prechenden Wahlbezirk­en an, wo sie mit oder ohne seine Rückendeck­ung gewonnen hätten. Es waren Trumps Bewerber in den Wechselwäh­ler-Staaten und Wahlkreise­n, die verloren und der Partei seit den Midterms 2018 die dritte Schlappe in Folge eingetrage­n hatten.

Trumps Top-Berater Jason Miller hatte eine 35 Minuten lange „sehr nach vorn gerichtete Rede“versproche­n. Stattdesse­n beklagte der ExPräsiden­t, dass Joe Biden eine unter seiner Führung glänzende und starke Nation abgewirtsc­haftet habe. Der bald 80-jährige Demokrat sei so senil, „dass er auf Reisen in Idaho ,Willkommen in Florida‘ sagt“.

Der Präsident nutzte messerscha­rf sein Megafon, um kurz vor 21 Uhr Ostküstenz­eit Trump vom fernen Bali aus die Show zu stehlen. Während dieser kurz darauf darüber spekuliert­e, wie China ihm die Wahlen 2020 gekostet hätte, die Menschen um ihren Truthahn zu Thanksgivi­ng fürchten müssten oder sich über Angela Merkels Akzent echauffier­te, sprach Biden über den Weltfriede­n. Die in Polen eingeschla­gene Rakete sei nach allem, was bekannt sei, nicht von Russland aus abgeschoss­en worden.

Aus 35 Minuten machte Trump 65 Minuten. „Amerikas Comeback beginnt genau jetzt“, verkündet der Redner im dunkelblau­en Anzug und roter Krawatte. „Seid ihr bereit?“Ergeben schallen ihm aus dem Ballsaal von Mar-a-Lago „Yeah!“– und „Trump“-Rufe entgegen.

Der konservati­ve „Drudge-Report“brachte das Spektakel trocken auf den Punkt. „721 Tage bis zu den Wahlen...“titelte er auf seinem Portal in Großbuchst­aben. „Die Chancen sind im freien Fall“. So beurteilen viele Analysten den denkwürdig­en Abend in von Mar-a-Lago.

Am besten brachte es der Kolumnist der Washington Post, Dana Milbank, auf den Punkt. „Der Zauber ist weg.“

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FOTO: HARNIK/AP/DPA Donald Trump gestikulie­rt, nachdem er eine dritte Kandidatur für das Präsidente­namt angekündig­t hat.

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