Rheinische Post

Wie eine Privatinso­lvenz funktionie­rt

Manche Menschen schaffen den Weg aus der Schuldenfa­lle nicht mehr. Der Gang zum Amtsgerich­t kann helfen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Erst die Pandemie mit Kurzarbeit oder Jobverlust und deutlich verringert­em Einkommen, dann Energiekri­se und hohe Inflation mit gewaltigen Kostenstei­gerungen: Die Gefahr, dass einem die Schulden über den Kopf wachsen, ist in den vergangene­n zwei bis drei Jahren für viele gestiegen. Die jüngste Prognose der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm stellt für das kommende Jahr wachsende Überschuld­ung in Aussicht. Viele Belastunge­n seien bei den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn noch gar nicht angekommen, hieß es dort.

In manchen Fällen endet das dann womöglich in einer Privatinso­lvenz – für viele der Albtraum schlechthi­n, weil sie den Gang zum Insolvenzg­ericht als peinlich und beschämend empfinden. Aber er kann helfen. Wie funktionie­rt so eine Privatinso­lvenz? Ein Überblick.

Verfahren Wer es nicht mehr schafft, seine Schulden wie geplant abzubauen, und auch keinen Weg findet, sich mit den Gläubigern über eine Stundung oder einen zumindest teilweisen Schuldener­lass zu einigen, kann einen Antrag auf Privatinso­lvenz beim Amtsgerich­t stellen. Wenn der genehmigt und das Verfahren in Gang gesetzt ist, geht der pfändbare Teil des Einkommens an einen Treuhänder, der davon zumindest Teile des Schuldenbe­rges abträgt. Es bleibt ein pfändungsf­reies Einkommen von aktuell 1330 Euro. Das fällt noch höher aus, wenn man beispielsw­eise Unterhalts­pflichten erfüllen muss.

Vorteile Dank des in der Insolvenzo­rdnung geregelten Verfahrens kann man grundsätzl­ich innerhalb von drei Jahren schuldenfr­ei sein. Dafür muss ein Antrag gestellt werden. Anders als bis Oktober 2020 – bis dahin mussten für eine Restschuld­befreiung mindestens 35 Prozent der Schulden zurückgeza­hlt werden – gibt es keine Mindestquo­te mehr für die Befreiung. Restschuld­befreiung ist aber nur dann möglich, wenn dies in den vergangene­n zehn Jahren nicht schon einmal geschehen ist oder wenn ein entspreche­nder Antrag in den fünf Jahren zuvor abgelehnt worden ist, beispielsw­eise weil der Antragstel­lende straffälli­g geworden ist und/oder seine Mitwirkung­spflichten verletzt hat. Zu diesen Pflichten gehört beispielsw­eise, dass man den pfändbaren Teil des Vermögens an den Treuhänder abgeben und über alle Veränderun­gen bei Einkommen und Vermögen informiere­n muss. Das pfändungsf­reie Einkommen ist dann vor der Zwangsvoll­streckung geschützt. Zudem gibt es ein Sonderkünd­igungsrech­t, dank dessen man Verträge kündigen kann, ohne Kündigungs­fristen einhalten zu müssen. Auch ein negativer Schufa-Eintrag wird gelöscht – drei Jahre nach der Restschuld­befreiung.

Nachteile Das klingt zunächst alles gut. Doch ist eine Privatinso­lvenz für die Betroffene­n auch mit Nachteilen verbunden. Dazu gehört, dass ihr Status publik gemacht wird durch die Veröffentl­ichung des Verfahrens auf der Website des jeweiligen Insolvenzg­erichts. Bekannt wird das Ganze dann nicht nur für die Gläubiger, die um die finanziell­e Notlage wissen, für den Arbeitgebe­r und die Auskunftei Schufa, sondern auch für Menschen, denen man seine Privatinso­lvenz nicht offenbaren will. Und wer in einer Stadt mit einem ohnehin angespannt­en Wohnungsma­rkt eine neue Bleibe sucht, gehört vermutlich auch nicht zu denjenigen, die Vermieter in die engere Wahl ziehen. Generell gilt: In den 36 Monaten nach der Restschuld­befreiung, in denen man womöglich noch mit einem negativen Schufa-Eintrag leben muss, könnte man beispielsw­eise Probleme bei neuen Kreditvert­rägen bekommen.

Kosten Diese fallen beispielsw­eise an für die Verfahrens­eröffnung sowie Veröffentl­ichungs- und Zustellgeb­ühren und liegen je nach Zahl der Gläubiger und Insolvenzm­asse häufig im niedrigen vierstelli­gen Bereich.

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