„Im Boxen steckt viel Leidenschaft“
Die 29-jährige Düsseldorferin klettert am Samstag im Rahmen des Städtekampfes gegen Warschau zum ersten Mal in den Ring.
Der Karriereweg der Sportlerin ist außergewöhnlich. Sie studierte Tanz in Kassel und war Profitänzerin. Sie beschäftigte sich mit Mixed Martial Arts, einer Vollkontakt-Kampfsportart, doch drei Tage vor dem ersten Corona-Lockdown fiel ihr Profidebüt aus. Nun will sie am Samstag bei der Boxnacht an der Harffstraße zum ersten Mal überhaupt in den Ring klettern und sorgt damit für eine Menge Gesprächsstoff in der Szene. Lampenfieber habe sie nicht, sagt sie.
Frau Römling, am Samstag stehen Sie erstmals als Profiboxerin im Ring. Nervös?
Römling: Nein, seltsamerweise überhaupt nicht. Normalerweise bin ich ein Lampenfieberkandidat. Für mich ist es, als hätte ich Geburtstag. Ich freue mich darauf wie ein kleines Kind. Ich bin überglücklich, dass der Kampf bald staffindet. Übrigens ist es nicht nur mein erster Profikampf, es ist mein Debüt im Boxring.
Sie sind 29 Jahre alt. Ist das ein typisches Alter, um in das Profiboxen einzusteigen?
Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. 29 ist nicht mehr als eine Zahl.
Wo liegt der wesentliche Unterschied zwischen Amateur- und Profiboxen? Ist es das Geld?
Ein Unterschied beruht auf den unterschiedlichen Stilrichtungen und der größeren Freiheit, die Profiboxer haben. Beim Amateurboxen halten sich die Sportler möglichst eng an die Vorgaben der Trainer, die die Taktik wesentlich vorgeben. Bei den Profis üben Trainer natürlich auch Einfluss aus, es überwiegen aber individueller Stil, Veranlagung und Erfahrungswerte. Dann gibt es noch einen großen Unterschied: Amateurkämpfe sind weitaus schneller, da es über kürzere Distanzen geht. Da bleibt nicht so viel Zeit zum Taktieren wie bei den Profis, die über mehr Runden boxen.
Was muss eine Frau tun, um Profiboxerin
zu werden?
Man braucht einen sehr langen Atem und die richtigen Kontakte, die einem dabei helfen, den Traum zu verwirklichen. Eine Mindestzahl an Kämpfen ist nicht nötig.
Gibt es Preisgelder?
In Deutschland weniger. Auf internationaler Bühne sieht es anders aus. Wer allerdings ein Journeyman wird, der „gekauft“wird, um Kämpfe zu verlieren, verdient weit besser. Das ist aber nicht mein Ding, es entspricht nicht meinen Vorstellungen von Sport.
Ihr sportlich-künstlerischer Werdegang ist außergewöhnlich.
Ja, mag sein. Ich war Profitänzerin. Ich habe das in Kassel studiert. Nach meiner Tanzkarriere bin ich zum Studium an die Sporthochschule Köln gewechselt. Aufgrund einiger Ereignisse bin ich zum Boxen gekommen, auch, weil damals mein Bruder gestorben ist. Zunächst hatte ich vor, mich dem Mixed Martial Arts, kurz MMA, zu widmen, einer Vollkontakt-Kampfsportart. Drei
Tage vor dem ersten Corona-Lockdown sollte ich dort mein Profidebüt geben. Der Kampf wurde abgesagt. Ein Dozent brachte mich mit seinem alten Boxtrainer in Kontakt, um mich bei ihm fit halten zu können. Wir haben sechs Mal in der Woche trainiert. Die Chemie zwischen uns stimmte direkt, wir haben nicht nur trainiert, wir haben auch viel über den Boxsport geredet. Inzwischen werde ich durch Vermittlung des renommierten Boxfunktionärs Jean-Marcel Nartz von Rüdiger May in Köln trainiert.
War der Tod des Bruders Anlass, um Dampf abzulassen?
Mich für MMA zu entscheiden, war auf jeden Fall eine krasse Reaktion. Mit dem Boxen habe ich auf meine Art und Weise die Trauer verarbeitet. Das war kein Dampf ablassen, weil ich Boxen nicht in erster Linie als aggressive Sportart betrachte, sondern als Spiegelbild des Lebens. Da steckt so viel Leidenschaft drin.
Viele Boxer sagen, dass ihr Sport nicht nur den Körper fit hält, sondern auch den Charakter schult. Stimmen Sie dem zu?
Das ist aber eine tiefgründige Frage. (lacht) Aber ja, ich vermute, das stimmt. Ich bin an der Sporthochschule in der Kampfsportforschung tätig. Die Fragestellung würde ich gerne auf wissenschaftlicher Basis angehen. Ob das Boxen allerdings meinen Charakter geschult hat, kann ich nicht sagen. Diszipliniert war ich immer. Womöglich passt der Sport zu mir, weil ich bereits viele wichtige Eigenschaften dafür mitbringe.
Wie würden Sie sich selbst als Boxerin beschreiben?
Mein Idealtyp ist die gelassen-lockere Boxerin, die souverän auftritt und auch dem Laien vermittelt, dass Boxen eine Kunst ist. Das ist mein Anspruch.
Was wissen Sie über Ihre Gegnerin am Samstag?
Über Carolina Sowinska weiß ich wenig. Es war allerdings auch mein Wunsch, unbelastet und ohne Kopfkino in den Kampf zu gehen. Ich werde mich ganz auf meine Stärken konzentrieren, ohne mich von Psychospielchen, die beim Boxen gang und gäbe sind, beeinflussen zu lassen. Ich kämpfe lieber gegen ein unbeschriebenes Blatt.
Beruht das Training ausschließlich auf körperlicher Fitness oder gibt es auch mentale Einheiten?
Eine sehr interessante Frage. Von anderen Boxern und Boxerinnen habe ich noch nicht gehört, dass sie die mentale Seite bewusst trainieren.
Mein Trainer Rüdiger May ist da offenbar eine Rarität, weil er großen Wert auf das Mindset und auf Entspannungstechniken legt. Und er hat vieles von dem, was ich beim Tanzen erlernt und mir angeeignet habe, für meinen Boxstil genutzt. So sind meine schnellen Beine sicherlich eine Folge des Tanzens. Das hat letztlich auch etwas mit autogenem Training zu tun, weil ich beim Boxen die tänzerischen Elemente automatisiert habe und der Kopf für andere Aufgaben offen bleibt.
Warum lohnt es sich, sich am Samstag den Kampf anzuschauen?
Ich bevorzuge das geschmeidige Boxen, nicht das Haudrauf. Es wird keine brachiale Schlacht, sondern eine Angelegenheit für Anhänger des ästhetischen Boxens. Ich möchte zeigen, was unseren Sport ausmacht. Den Anspruch habe ich und den werde ich auch umsetzen. Nach mir boxt noch mein Teamkollege Marc „la Tortuga“Lambertz, dem ich gerne nacheifere. Ich bewundere seine boxerischen Fähigkeiten. Da lohnt ein Besuch.
RICHARD THOMSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH