Rheinische Post

Was mit überschüss­igen Lebensmitt­eln passiert

Marina Billinger hat den Lebensmitt­el-Rohstoff-Markt „Leroma“gegründet. Firmen können ihre überschüss­igen Rohstoffe anbieten.

- VON TINO HERMANNS

DÜSSELDORF Seriösen Studien zufolge werden weltweit 1,6 Milliarden Tonnen Lebensmitt­el verschwend­et. Dabei ist das, was die Endverbrau­cher ungenutzt wegschmeiß­en, nur ein kleiner Teil der Ressourcen­verschwend­ung. Vieles, was mehr oder weniger fachgerech­t entsorgt wird, fällt bereits vor oder im Produktion­sprozess an. Das alles brachte Marina Billinger, die selbst jahrelang in der Lebensmitt­elindustri­e gearbeitet hat, ins Grübeln.

Das Ergebnis des Nachdenken­s war die Gründung des Lebensmitt­el-Rohstoff-Marktes „Leroma“, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Lebensmitt­elverschwe­ndung so weit wie möglich einzudämme­n. „Wir haben eine Internet-Plattform aufgebaut, in der Firmen ihre überschüss­igen Rohstoffe einstellen können, die dann von anderen Unternehme­n geordert werden können“, erläutert Billinger. „Uns geht es in erster Linie darum, dass Rohstoffe dafür verwendet werden, wofür sie gedacht sind. Die Firmen können so auch ihre Ausgaben und möglichen Verluste reduzieren. Durch den Verkauf der Rohstoff-Überschüss­e und die nicht mehr anfallende­n Entsorgung­skosten kommt Geld rein, das ansonsten bezahlt werden müsste.“

Für diese Idee und deren Umsetzung hat Billinger und ihr Leroma-Team vor Kurzem ein Gründersti­pendium des NRW-Wirtschaft­sministeri­ums gewonnen. Seit 2018 unterstütz­t dieses kreative Köpfe mit dem Gründersti­pendium für ein Jahr mit monatlich 1000 Euro. Insgesamt 38 Netzwerke mit

100 Anlaufstel­len in NRW übernehmen die Auswahl und Beratung der Interessen­ten. Sie unterstütz­en bei der Antragstel­lung und bieten eine zeitnahe Möglichkei­t zur Präsentati­on vor den Jurys. „Wir brauchen diese innovative­n und nachhaltig­en Gründerinn­en und Gründer, um Wirtschaft und Klimaschut­z gemeinsam voranzubri­ngen“, erklärt NRW-Wirtschaft­sministeri­n Mona

Neubauer (Grüne).

Bei der Überschuss­börse können Firmen und Lieferante­n Überschüss­e und Restposten inserieren, die übrig geblieben sind oder zu viel eingekauft wurden, aber qualitativ hochwertig und für die weitere Verarbeitu­ng noch einsetzbar sind. Eigentlich funktionie­rt die Plattform genauso wie Ebay-Kleinanzei­gen. Einer schreibt, was er anbietet, liebend

gerne auch mit den jeweiligen Spezifikat­ionen, und wartet dann darauf, dass jemand sich für das Lebensmitt­el-Rohstoffan­gebot interessie­rt. Es gibt auch die Möglichkei­t, Gesuche einzustell­en.

In der Überschuss­börse vernetzt das Netzwerk auch branchenüb­ergreifend, denn Biomasse ist nicht nur für die Lebensmitt­elindustri­e ein Rohstoff. „Wir versuchen alles, um die Lebensmitt­el in der Lebensmitt­elbranche zu halten“, sagt Marina Billinger. „Aber wenn alle Stricke reißen, vermitteln wir auch Biomasse an Tierfutter- oder Haushaltsr­einigerher­steller.“So gibt es Kontakte zu Unternehme­n, die aus Mangoschal­en Turnschuhe oder aus Fischreste­n Bioplastik herstellen. „Man kann aus jeder Biomasse, auch aus Blättern oder Ästen, Fasern

oder Polymere herstellen, aus denen neue Produkte gemacht werden können. Der Klassiker ist, dass aus Hanf- oder Leinpflanz­en Stoffe hergestell­t werden. So vermittelt­e „Leroma“35 Tonnen Sojatextur­at zum Teil an einen Fischfutte­r- zum anderen Teil an einen Baumateria­lfabrikant­en. Der hat es seinem Beton zugesetzt und Wände damit hochgezoge­n.

Inzwischen nutzen mehr als 700 Kunden, davon 30 Prozent aus dem Ausland, die Überschuss­börse. Letztens hat sich ein Saftherste­ller aus Kalifornie­n mit Fruchtpulv­er und -konzentrat­en gemeldet. „Wir wollen weltweit tätig sein“, macht Billinger klar. „Wir wollen klar machen, dass Nachhaltig­keit und Umweltschu­tz nicht bei der Dämmung von Wänden aufhört.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Marina Billinger hat die Online-Plattform gegründet, auf der Rohstoffe für Lebensmitt­el gehandelt werden.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Marina Billinger hat die Online-Plattform gegründet, auf der Rohstoffe für Lebensmitt­el gehandelt werden.

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