Rheinische Post

Zeugin beschuldig­t Kardinal Woelki im Kölner Medienproz­ess

Eine ehemalige Sekretärin seines Vorgängers habe mit dem Erzbischof schon früh über das unangemess­ene Verhalten eines Pfarrers gesprochen.

-

KÖLN (dpa/los) In einem Klageverfa­hren des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki gegen den Axel-Springer-Verlag und einen „Bild“-Reporter hat am Mittwoch eine Zeugin ausgesagt. Die ehemalige Sekretärin von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, sagte vor dem Kölner Landgerich­t, sie habe Woelki schon frühzeitig über Vorgänge rund um einen umstritten­en Düsseldorf­er Pfarrer informiert.

In dem Prozess geht es um die Berichters­tattung über einen Priester, den Woelki 2017 zum stellvertr­etenden Stadtdecha­nten von Düsseldorf befördert hatte. Der Kardinal wirft der „Bild“-Zeitung vor, fälschlich­erweise berichtet zu haben, dass er bei der Ernennung des Pfarrers dessen Personalak­te gekannt und von einer Warnung der Polizei gewusst habe. Der Priester hatte Jahre zuvor mit einem 16 Jahre alten Prostituie­rten Sex gehabt. Ein Sprecher von Springer

teilte mit, man halte die Berichters­tattung für rechtlich zulässig.

Die Zeugin sagte vor dem Kölner Landgerich­t, sie habe die Personalak­te und das Schreiben der Polizei an das Erzbistum nicht gekannt und somit auch nicht mit Woelki erörtert. Jedoch habe sie bereits vor dem Jahr 2011 in einem 20-minütigen Telefonat mit dem damaligen Weihbischo­f Woelki über den Düsseldorf­er Pfarrer gesprochen, mit dem sie zuvor befreundet gewesen sei. Unter anderem habe sie Woelki von den homosexuel­len Neigungen und dem anzügliche­n Verhalten des Pfarrers gegenüber Jugendlich­en erzählt. So sei dieser unter anderem mit Messdiener­n in die Sauna gegangen, berichtete die 72-Jährige.

Bei der Zeugenbefr­agung stellte sich auch heraus, dass Woelkis Rechtsanwa­lt die Frau vor dem Prozess angerufen und mit ihr über die anstehende Verhandlun­g gesprochen hatte. Auf Nachfrage erklärte sie jedoch, sie habe sich dadurch nicht unter Druck gesetzt gefühlt. Der Anwalt hatte ihr nach eigenen Angaben geraten, sich um therapeuti­sche Begleitung zu bemühen oder sich hilfsweise ein Attest von ihrer Psychother­apeutin ausstellen zu lassen, um nicht aussagen zu müssen.

Die 72-Jährige erklärte, sie habe sich aber letztlich für eine Zeugenauss­age entschiede­n, „weil ich dachte, das Lügen muss aufhören“. Die Kölner Staatsanwa­ltschaft hatte in der vergangene­n Woche ein Ermittlung­sverfahren

gegen Woelki wegen des Verdachts der falschen eidesstatt­lichen Versicheru­ng eingeleite­t. Woelki weist den Vorwurf zurück. Auslöser für die Ermittlung­en war ein Interview, in dem die ehemalige Assistenti­n des Personalch­efs im Erzbistum gesagt hatte, sie habe Woelki frühzeitig über Missbrauch­svorwürfe gegen den früheren Sternsinge­r-Chef Winfried Pilz informiert.

Woelki steht schon länger wegen seines Umgangs mit Missbrauch­sfällen im Erzbistum in der Kritik. Papst Franziskus hatte ihn aufgeforde­rt, ein Rücktritts­gesuch einzureich­en, was Woelki auch getan hat. Der Papst hat aber noch nicht darüber entschiede­n, ob er das Gesuch auch annimmt.

Zusammen mit den anderen deutschen Bischöfen hält sich Woelki derzeit zu den sogenannte­n Adlimina-Besuchen in Rom auf. Dort wird mit Papst Franziskus über die deutschen Reforminit­iativen und dabei möglicherw­eise auch über die Lage im Erzbistum Köln gesprochen. In dieser Lage hatte Maria Mesrian von der Reforminit­iative Maria 2.0 gegenüber unserer Redaktion unlängst erklärt, dass Woelki „so viel Gespür für die verfahrene Situation im Bistum haben und seine Ämter vorläufig ruhen lassen soll“.

Unterdesse­n forderte die SPD im NRW-Landtag mehr staatliche Einflussna­hme auf die Aufarbeitu­ng sexuellen Missbrauch­s im kirchliche­n Kontext. Die Kirche schaffe es trotz der bisher ergriffene­n Maßnahmen nicht allein, erklärte der Fraktionsv­orsitzende Thomas Kutschaty. Nach den Vorstellun­gen der SPD solle eine unabhängig­e Aufarbeitu­ngskommiss­ion auf Bundeseben­e eingesetzt werden, die selbst bei verjährten Taten ein umfassende­s Akteneinsi­chtsrecht bekommen solle.

 ?? FOTO: JOHANNES NEUDECKER/DPA ?? Der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, zu Beginn der Woche auf dem Weg in den Vatikan.
FOTO: JOHANNES NEUDECKER/DPA Der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, zu Beginn der Woche auf dem Weg in den Vatikan.

Newspapers in German

Newspapers from Germany