Weihnachtsmärkte ohne Weihnachtssinn
Es heißt, es sei die schönste Zeit im Jahr, und es gibt gute Gründe für die Hoffnung, dass sie diesmal noch schöner wird. Nach dem Lockdown-Winter 2020, dem Corona-Regel-Winter 2021 bringt 2022 zurück, was für viele schon vor Beginn der Adventszeit dazugehört: Glühweinstände und Bratwurstbuden, Handwerkskunst und Christbaumschmuck, Karussell und Lichterkettenglanz.
Die Daseinsberechtigung von Weihnachtsmärkten ist seit jeher eher das Emotionale als das Funktionale. Es geht um Begegnungen und Atmosphäre, ein Gefühl soll sich einstellen, nicht der Magen gefüllt werden. Nichtsdestotrotz wird gegessen und getrunken, gestöbert und gekauft, es gehört einfach dazu. Jedenfalls für alle, die sich das in diesen Zeiten noch leisten wollen oder können. Nicht nur die eigenen Lebensumstände (Energiekosten, Inflation, Spritpreise) gehen ins Budget, auch die damit zusammenhängenden Preise auf den Weihnachtsmärkten lassen schlucken: Eine Krakauer für 6,50 Euro, der Flammlachs für zehn Euro, 200 Gramm gebrannte Mandeln für elf Euro – wird der Budenbummel so nicht zum Luxusgut?
Die Schausteller und Gastronomen verdienen ein gutes Weihnachtsgeschäft, an dem sich womöglich aber nicht mehr der Schnitt der Gesellschaft, sondern nur noch Besserverdienende beteiligen. Schuld daran ist häufig auch ein Mangel ein Alternativen, ein sozialverträglicher Mix aus Angeboten, die sich Geringverdiener, Studierende oder ältere Menschen mit kleinen Renten gönnen können. Warum nicht mehr Selbstgemachtes zu kleinen Preisen anbieten, Projekten mit Spendenreiz mehr Raum geben, vielleicht sogar eine Obergrenze für kommerzielle Standbetreiber festlegen? Einige Städte, vor allem kleinere Orte mögen schon daran arbeiten. Auch auf den großen Märkten sollte der Sinn der Weihnachtszeit spürbar werden: Nächstenliebe, Achtsamkeit, Besinnlichkeit.