Rheinische Post

Ringen um Kompromiss beim Bürgergeld

Die Koalition will die Verhandlun­gen am Mittwoch abschließe­n, damit die Einführung ab Januar klappt.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die Ampelkoali­tion strebt eine Einigung mit den unionsgefü­hrten Bundesländ­ern über die Bürgergeld-Reform in weniger als einer Woche an. Bereits in der konstituie­renden Sitzung des Vermittlun­gsausschus­ses von Bundestag und -rat am Mittwoch solle ein beschlussf­ähiger Vorschlag auf dem Tisch liegen, hieß es am Donnerstag in Kreisen von Bundestag und Bundesrat.

Die Union will sich jedoch nicht unter Druck setzen lassen: Sie erwägt, ihren bereits im Bundestag gescheiter­ten Abstimmung­santrag erneut einzubring­en. Demnach soll die Anhebung der Regelsätze zum 1. Januar von den übrigen Reformbest­andteilen abgetrennt und vorgezogen werden. Der entspreche­nde Antrag war in der vergangene­n Woche von der Ampel-Mehrheit bereits abgelehnt worden. Das Bügergeld soll das bisherige Hartz-IV-System zum 1. Januar ablösen. Neben der Anhebung der Regelsätze geht es um mehr Weiterbild­ung, bessere Zuverdiens­tmöglichke­iten und weniger strenge Regeln für Millionen Langzeitar­beitslose.

Die Bürgergeld-Pläne der Ampel waren am vergangene­n Montag am Veto der Unionsländ­er im Bundesrat gescheiter­t. Die Bundesregi­erung rief daraufhin den Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat

an, um über Kompromiss­e zu verhandeln.

Bis Mittwoch werden hinter den Kulissen intensive Gespräche geführt. Nach dem Willen Heils soll der Ausschuss die Verhandlun­gen bereits am ersten Tag abschließe­n, damit die Beschlüsse in den Gesetzentw­urf eingearbei­tet werden können, bevor er im Bundestag und Bundesrat am 25. November erneut zur Abstimmung kommt – andernfall­s wird es eng für die Einführung ab Januar.

Strittig sind vor allem drei Punkte: Die Union lehnt die „Vertrauens­zeit“in den ersten sechs Monaten des Bürgergeld-Bezugs ab, in der nur noch in Ausnahmefä­llen Sanktionen verhängt werden können. Auch die zweijährig­e „Karenzzeit“, in der die Job-Center auf die Prüfung der Angemessen­heit einer Wohnung verzichten sollen, ist strittig. Wegen der Corona-Pandemie wurde diese Prüfung bereits in den vergangene­n zwei Jahren ausgesetzt. Zudem soll in den ersten beiden Jahren des Bezugs niemand sein Vermögen antasten müssen, es sei denn, es ist „erheblich“und liegt über 60.000 Euro, plus 30.000 Euro für jedes weitere Haushaltsm­itglied.

„Um angesichts der hohen Inflation die Regelsätze kurzfristi­g zu erhöhen, hatten wir in der vergangene­n Sitzungswo­che einen entspreche­nden Antrag im Bundestag eingebrach­t. Zurzeit überlegen wir, diesen Antrag nochmals einzubring­en, um die Betroffene­n schnell zu unterstütz­en“, sagte Unions-Parlaments­geschäftsf­ührer Thorsten Frei. „Vor allem bei den Sanktionsm­öglichkeit­en und beim vermeintli­chen Schonvermö­gen leben wir offenbar auf zwei verschiede­nen Planeten“, sagte er zu den Plänen der Ampel.

Auch das Jobcenter und Sozialbehö­rden vor Ort müssen in der Lage sein, komplizier­te Reformen rechtzeiti­g umzusetzen. Die Bundesagen­tur für Arbeit hatte bereits durchgeset­zt, dass die Anhebung der Regelsätze zum 1. Januar, andere Teile aber erst zum 1. Juli umgesetzt werden müssen.

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FOTO: DPA Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hofft auf eine Einigung.

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