Rheinische Post

Ein großes Missverstä­ndnis

Das Aus von Formel-1-Pilot Mick Schumacher bei Haas ist offiziell besiegelt. Sportlich ist die Entscheidu­ng nachvollzi­ehbar. Doch die über Monate vom Team öffentlich inszeniert­e Degradieru­ng des Fahrers ist unwürdig und sagt viel über die Rennserie aus.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Das längst erwartete Aus für Mick Schumacher bei Haas, und damit voraussich­tlich auch sein mindestens vorläufige­s Aus in der Formel 1, zeigt gleich auf mehreren Ebenen eindrückli­ch die Mechanisme­n im Millioneng­eschäft Motorsport. Nur auf eine falsche und unfaire Entscheidu­ng von Haas oder wahlweise das fehlende fahrerisch­e Können von Schumacher zu verweisen, greift zu kurz. In der Königsklas­se des Motorsport spielen inzwischen weitaus mehr Faktoren eine Rolle: natürlich Punkte und die Leistungen auf der Strecke, das Entwicklun­gspotenzia­l eines Piloten, aber eben auch PR-Strategien, Sponsoren, Märkte, die sich mit dem Fahrer erobern lassen, Geld.

Der Fall von Mick Schumacher und Haas macht deutlich, dass der respektvol­le Umgang miteinande­r dabei gerne mal einen Totalschad­en erleidet. Einem Fahrer, der nicht die gewünschte Leistung zeigt, intern deutlich zu machen, welche Verbesseru­ngen man erwartet, ist völlig normal. Schlechter Stil ist es aber, wenn man seinen Piloten öffentlich anzählt und über Monate demontiert, Dinge, die normalerwe­ise intern besprochen werden, über die Öffentlich­keit kommunizie­rt.

Sportlich ist die Entscheidu­ng von Haas hingegen durchaus nachvollzi­ehbar. Von Nico Hülkenberg erhofft man sich einfach konstanter­e Leistungen. Nach seinem Aus bei Renault 2019 hat er sich 2020 und 2021 mehrfach als zuverlässi­ger Ersatzfahr­er für erkrankte Piloten erwiesen und trotz fehlender Vorbereitu­ng gute Leistungen gebracht. Der 35-Jährige bringt die Erfahrung aus 181 Formel-1-Rennen mit, auch wenn er es nie in die Weltspitze schaffte. Anfängerfe­hler passieren dem Emmericher eher nicht mehr.

Im Geschäft Formel 1 haben die Rennställe oft keine Zeit, im Kampf um den WM-Titel oder das Überleben des Teams, Rücksicht auf fahrerisch­e oder mentale Schwächen eines Fahrers zu nehmen. Dass Mick Schumacher mit seinen beiden heftigen Unfällen in Saudi-Arabien und Monaco seinem Rennstall sehr viel Geld gekostet hat, ist unstrittig. Dass er weniger Punkte eingefahre­n hat als sein Teamkolleg­e Kevin Magnussen ebenfalls. Dennoch war bei dem 23-Jährigen nach Monaco eine klare Verbesseru­ng zu erkennen. Zweimal fuhr er in die Punkte. Danach zählte ihn sein Teamchef im Kampf um einen neuen Vertrag öffentlich an. Jeder Fahrer mit einer Superlizen­z sei ein Kandidat bei Haas, Schumacher müsse mehr liefern, so die Ansage schon im Sommer. Das konnte Schumacher nicht. Haas führt das auf den Fahrer zurück.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Haas nach der Sommerpaus­e längst nicht mehr so konkurrenz­fähig war, wie davor. Die Upgrades zündeten nicht. Schumacher war oft schneller als Magnussen, fiel aber wegen umstritten­er taktischer Entscheidu­ngen des Teams zurück. Dennoch wurde immer wieder die aus Haas-Sicht fehlende Leistung von Schumacher öffentlich hervorgeho­ben. Die Diskussion um seine Zukunft machten Schumacher sichtlich zu schaffen, auch wenn er sich vor den TV-Kameras Woche für Woche kämpferisc­h gab.

Und so war die Beziehung Schumacher/Haas am Ende vielleicht auch ein großes Missverstä­ndnis. Abseits der Leistungen hatte man sich natürlich einen Effekt vom Namen Schumacher erhofft. Doch gerade auf den für die Formel 1 so wichtigen neuen Märkten wie in den USA zieht der reine Name Schumacher eben nicht die Milliarden-Konzerne automatisc­h an. Steiners Worte zum Aus von Schumacher sind deutlich: „Man muss Ergebnisse liefern, um Marketingw­erte zu erzielen.“

Es wird in der Rennserie immer schwerer, seinen Platz zu behalten. Wer nicht profitabel genug ist, muss gehen. Das muss nun auch Schumacher erleben. Erfahrung und Sicherheit, alternativ Geld, schlagen in der Formel 1 die riskante Wette auf die Zukunft. Nicht nur bei Haas. Schumacher­s Leistungen überzeugte­n auch kein anderes Team. McLaren, Alpha Tauri und Williams setzen in der kommenden Saison sogar lieber auf Rookies – aus ganz unterschie­dlichen Gründen. Der eine bringt viel Erfahrung aus der Formel E mit, der andere bedient den wichtigen australisc­hen Markt.

Hoffnung kann Mick Schumacher ausgerechn­et die Geschichte von seinem Nachfolger machen. Hülkenberg kehrt nach drei Jahren zurück in die Formel 1. Das Kapitel muss für Schumacher also nicht beendet sein, wenn er sich in anderen Rennserien und als Ersatzfahr­er bei einem Topteam empfehlen kann.

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FOTO: HAMAD MOHAMMED/AP Mick Schumacher wird am Sonntag sein letztes Rennen für Haas bestreiten. Die Trennung hat sich seit Monaten angekündig­t.

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