Ein großes Missverständnis
Das Aus von Formel-1-Pilot Mick Schumacher bei Haas ist offiziell besiegelt. Sportlich ist die Entscheidung nachvollziehbar. Doch die über Monate vom Team öffentlich inszenierte Degradierung des Fahrers ist unwürdig und sagt viel über die Rennserie aus.
DÜSSELDORF Das längst erwartete Aus für Mick Schumacher bei Haas, und damit voraussichtlich auch sein mindestens vorläufiges Aus in der Formel 1, zeigt gleich auf mehreren Ebenen eindrücklich die Mechanismen im Millionengeschäft Motorsport. Nur auf eine falsche und unfaire Entscheidung von Haas oder wahlweise das fehlende fahrerische Können von Schumacher zu verweisen, greift zu kurz. In der Königsklasse des Motorsport spielen inzwischen weitaus mehr Faktoren eine Rolle: natürlich Punkte und die Leistungen auf der Strecke, das Entwicklungspotenzial eines Piloten, aber eben auch PR-Strategien, Sponsoren, Märkte, die sich mit dem Fahrer erobern lassen, Geld.
Der Fall von Mick Schumacher und Haas macht deutlich, dass der respektvolle Umgang miteinander dabei gerne mal einen Totalschaden erleidet. Einem Fahrer, der nicht die gewünschte Leistung zeigt, intern deutlich zu machen, welche Verbesserungen man erwartet, ist völlig normal. Schlechter Stil ist es aber, wenn man seinen Piloten öffentlich anzählt und über Monate demontiert, Dinge, die normalerweise intern besprochen werden, über die Öffentlichkeit kommuniziert.
Sportlich ist die Entscheidung von Haas hingegen durchaus nachvollziehbar. Von Nico Hülkenberg erhofft man sich einfach konstantere Leistungen. Nach seinem Aus bei Renault 2019 hat er sich 2020 und 2021 mehrfach als zuverlässiger Ersatzfahrer für erkrankte Piloten erwiesen und trotz fehlender Vorbereitung gute Leistungen gebracht. Der 35-Jährige bringt die Erfahrung aus 181 Formel-1-Rennen mit, auch wenn er es nie in die Weltspitze schaffte. Anfängerfehler passieren dem Emmericher eher nicht mehr.
Im Geschäft Formel 1 haben die Rennställe oft keine Zeit, im Kampf um den WM-Titel oder das Überleben des Teams, Rücksicht auf fahrerische oder mentale Schwächen eines Fahrers zu nehmen. Dass Mick Schumacher mit seinen beiden heftigen Unfällen in Saudi-Arabien und Monaco seinem Rennstall sehr viel Geld gekostet hat, ist unstrittig. Dass er weniger Punkte eingefahren hat als sein Teamkollege Kevin Magnussen ebenfalls. Dennoch war bei dem 23-Jährigen nach Monaco eine klare Verbesserung zu erkennen. Zweimal fuhr er in die Punkte. Danach zählte ihn sein Teamchef im Kampf um einen neuen Vertrag öffentlich an. Jeder Fahrer mit einer Superlizenz sei ein Kandidat bei Haas, Schumacher müsse mehr liefern, so die Ansage schon im Sommer. Das konnte Schumacher nicht. Haas führt das auf den Fahrer zurück.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Haas nach der Sommerpause längst nicht mehr so konkurrenzfähig war, wie davor. Die Upgrades zündeten nicht. Schumacher war oft schneller als Magnussen, fiel aber wegen umstrittener taktischer Entscheidungen des Teams zurück. Dennoch wurde immer wieder die aus Haas-Sicht fehlende Leistung von Schumacher öffentlich hervorgehoben. Die Diskussion um seine Zukunft machten Schumacher sichtlich zu schaffen, auch wenn er sich vor den TV-Kameras Woche für Woche kämpferisch gab.
Und so war die Beziehung Schumacher/Haas am Ende vielleicht auch ein großes Missverständnis. Abseits der Leistungen hatte man sich natürlich einen Effekt vom Namen Schumacher erhofft. Doch gerade auf den für die Formel 1 so wichtigen neuen Märkten wie in den USA zieht der reine Name Schumacher eben nicht die Milliarden-Konzerne automatisch an. Steiners Worte zum Aus von Schumacher sind deutlich: „Man muss Ergebnisse liefern, um Marketingwerte zu erzielen.“
Es wird in der Rennserie immer schwerer, seinen Platz zu behalten. Wer nicht profitabel genug ist, muss gehen. Das muss nun auch Schumacher erleben. Erfahrung und Sicherheit, alternativ Geld, schlagen in der Formel 1 die riskante Wette auf die Zukunft. Nicht nur bei Haas. Schumachers Leistungen überzeugten auch kein anderes Team. McLaren, Alpha Tauri und Williams setzen in der kommenden Saison sogar lieber auf Rookies – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Der eine bringt viel Erfahrung aus der Formel E mit, der andere bedient den wichtigen australischen Markt.
Hoffnung kann Mick Schumacher ausgerechnet die Geschichte von seinem Nachfolger machen. Hülkenberg kehrt nach drei Jahren zurück in die Formel 1. Das Kapitel muss für Schumacher also nicht beendet sein, wenn er sich in anderen Rennserien und als Ersatzfahrer bei einem Topteam empfehlen kann.