Rheinische Post

Aktionspla­n zum Schutz queerer Menschen

Vorgesehen sind unter anderem eine Reform des Familienre­chts und eine Änderung des Grundgeset­zes.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Sven Lehmann möchte Spuren hinterlass­en. Und zwar über die aktuell laufende Legislatur­periode hinaus. Der Queer-Beauftragt­e der Bundesregi­erung will den Schutz vor Diskrimini­erung von Lesben, Schwulen, bisexuelle­n, trans- und intergesch­lechtliche­n sowie aller queeren Menschen nachhaltig verankern.

Es gebe jeden Tag in Deutschlan­d drei bis vier gemeldete Übergriffe auf queere Menschen, die Dunkelziff­er sei aber viel höher, sagte Lehmann am Freitag. Nach einem knappen Jahr kann der Grünen-Politiker und Staatssekr­etär im Bundesmini­sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nun einen bundesweit­en Aktionspla­n der Regierung für die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlecht­licher Vielfalt vorlegen. Dazu hat das Bundeskabi­nett am Freitag in Berlin einen Nationalen Aktionspla­n „Queer leben“beschlosse­n. Die Ampelkoali­tion aus SPD, Grünen und FDP setzt damit eine Vereinbaru­ng aus ihrem Koalitions­vertrag um. Lehmann spricht von einem „Meilenstei­n“.

Es ist ein Maßnahmenp­aket, aufgeteilt in sechs Handlungsf­elder – unter anderem geht es um eine bessere rechtliche Anerkennun­g, mehr Teilhabe und bessere Beratungss­trukturen für diese Gruppe. Dazu soll beispielsw­eise das Abstammung­s-und Familienre­cht so modernisie­rt werden, dass vielfältig­e Familienko­nstellatio­nen – sogenannte Regenbogen­familien – gestärkt werden.

Teil der Maßnahmen ist auch das seit Längerem angekündig­te Vorhaben, das bisherige Transsexue­llengesetz durch ein neues Selbstbest­immungsges­etz zu ersetzen. Mit dem neuen Selbstbest­immungsges­etz soll erreicht werden, dass jeder Mensch in Deutschlan­d sein Geschlecht und seinen Vornamen künftig selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können soll. Künftig soll dafür eine Erklärung reichen.

Entspreche­nde Eckpunkte stellte Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) bereits vor. Inzwischen sei der Gesetzentw­urf „quasi fertig“, so Lehmann. Er hoffe, dass der Bundestag ihn im kommenden Jahr verabschie­den könne.

Auch eine Reform des Abstammung­sgesetzes ist laut Koalitions­vertrag vorgesehen. Buschmann werde Eckpunkte dazu voraussich­tlich im kommenden Jahr vorlegen, kündigt Lehmann an. Darin solle es unter anderem eine Regelung dazu geben, wenn ein lesbisches Paar ein Kind bekomme. Derzeit ist nur die leibliche Mutter auch rechtlich Mutter des Kindes, ihre Partnerin muss die Adoption beantragen. Der Aktionspla­n sehe außerdem vor, dass Artikel 3 des Grundgeset­zes um das Merkmal der „sexuellen Identität“ergänzt werden solle. Für eine Änderung des Grundgeset­zes ist aber eine Zweidritte­lmehrheit im Bundestag notwendig.

Lehmann gibt sich zuversicht­lich, diese Mehrheit zustande zu bekommen – „auch weil viele Bundesländ­er hier positive Signale senden“, betont Lehman und verweist dabei etwa auf das schwarz-grün regierte Nordrhein-Westfalen.

Lehmann betont, dass die Vorhaben ein „verbindlic­her Prozess“sein müssten: „Ich werde darauf achten, dass auch Ergebnisse erzielt werden.“Im Jahr 2024 werde er den Fortschrit­t der Umsetzunge­n im Parlament vortragen.

Und am Ende der Pressekonf­erenz sagt der Queer-Beauftragt­e auch noch etwas zur Austragung der Fußballwel­tmeistersc­haft in Katar. Er halte diese für einen „riesengroß­en Fehler“: „Diese WM verkommt zur Farce“. Er selbst sei kein großer Fußballfan und werde sich die Spiele nicht anschauen. Seiner Ansicht nach sind queere Menschen in Katar nicht sicher. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) hatte eine Bedrohung queerer Menschen in Katar vor Kurzem noch verneint.

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FOTO: DPA Sven Lehmann stellt den Aktionspla­n „Queer leben“vor.

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