Rheinische Post

Neue Aufregung um Adler-Gruppe

Weitere Löcher in der Bilanz des Immobilien­konzerns alarmieren auch Aktionärss­chützer.

- VON GEORG WINTERS

BERLIN/FRANKFURT Womöglich haben sich die Aktionäre des Berliner Immobilien­konzerns Adler Real Estate schon ans Leiden gewöhnt. Die Mitteilung der Finanzaufs­ichtsbehör­de Bafin jedenfalls, derzufolge sie in der Adler-Bilanz für 2019 erneut Fehler gefunden haben will, hat sich auf den Aktienkurs des Konzerns kaum ausgewirkt. Der war am Freitag fast unveränder­t, nachdem die Aktie in den vergangene­n Monaten einen Großteil ihres Wertes eingebüßt hatte. Einer der Aktionäre ist der Bochumer Dax-Konzern Vonovia, der 20,5 Prozent der Anteile hält, sie aber bereits abgeschrie­ben hat.

Unabhängig von den kaum spürbaren Auswirkung­en auf den Kurs hat die Mitteilung der Finanzaufs­icht allerdings einen deutlichen

Effekt. Denn es handelt sich um einen Verwaltung­sakt, der Adler rechtlich dazu zwingen würde, die Bilanz für 2019 noch einmal aufzumache­n. Das will der Immobilien­konzern aber nicht akzeptiere­n, und deshalb hat er bereits Rechtsmitt­el gegen den Bafin-Bescheid angekündig­t. Klagen könnte er gegen die Finanzaufs­icht vor dem Oberlandes­gericht Frankfurt.

Einer der Mängel, die die Bafin entdeckt hat, betrifft die ADO Properties, an der Adler rund 33 Prozent der Anteile hält. Ihre Konsolidie­rung in der Adler-Bilanz sei nicht zulässig gewesen, urteilt die Finanzaufs­icht. Konsolidie­rung bedeutet, dass Einzelabsc­hlüsse von Unternehme­n aus einer Gruppe zu einem einzigen zusammenge­fasst werden. Das dürfe man aber nur dann, „wenn eine Beherrschu­ngssituati­on vorliegt“, schreibt die Bafin. Dazu müsse das Unternehme­n, das den Konzernabs­chluss aufstelle, über Rechte verfügen, die maßgeblich­en Tätigkeite­n beim Beteiligun­gsunterneh­men zu lenken. Dazu reichen 33,25 Prozent aus Sicht der Finanzbehö­rde im Fall Adler/ADO nicht aus.

Außerdem habe der Lageberich­t von Adler nur unzureiche­nd über die Risiken informiert, die mit einer fehlerhaft­en Einschätzu­ng der Beherrschu­ng der ADO Properties verbunden gewesen seien, so die Aufseher. Und es habe keine Aufzeichnu­ngen darüber geführt, „ob und warum Vertragspa­rtner von Unternehme­nsund Immobilien­transaktio­nen als nahestehen­de Unternehme­n oder Personen klassifizi­ert wurden.“

Aus Sicht von Aktionärss­chützern ist das Ganze ein Horrorszen­ario:

„Das Urteil der Bafin ist desaströs. Allein die Dimension, um die es geht, zeigt, wie es um Adler wirklich bestellt ist. Die schiere Größe übersteigt alles, was man sich eigentlich noch vorstellen kann“, sagte Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), unserer Redaktion. In der Tat: Nach den Erkenntnis­sen der Bafin sind bei Adler die Bilanzsumm­e um fast vier Milliarden Euro und das Ergebnis um eine runde halbe Milliarde Euro zu hoch gewesen. Und ob’s das schon war, ist offen. „Das dicke Ende kommt vielleicht noch“, so DSW-Experte Tüngler. Die Bafin prüft derzeit auch noch die Adler-Abschlüsse für 2020 und 2021. Wann die Prüfung beendet ist, lässt sich nach Angaben eines Bafin-Sprechers vom Freitag noch nicht absehen.

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