Rheinische Post

Kataris in der deutschen Wirtschaft

Die staatliche Investment­gesellscha­ft und Mitglieder der Königsfami­lie sind an großen Unternehme­n beteiligt.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Wenn in diesen Tagen über Katar gesprochen wird, dann ist nahezu ausschließ­lich von der Fußball-Weltmeiste­rschaft im Wüstenstaa­t die Rede, von Toten auf den Baustellen der heutigen WM-Stadien, von Menschenre­chtsverlet­zungen und von den Gefahren, denen Homosexuel­le nach der Einreise in das Emirat ausgesetzt sein könnten. Vom Wirtschaft­sfaktor Katar ist kaum die Rede.

Dabei sind die Machthaber in Vorderasie­n und die staatliche Investment­gesellscha­ft Qatar Investment Authority (QIA) in der deutschen Wirtschaft längst zu wichtigen Faktoren geworden. Der Scheich-Familie al Thani gehören über zwei Investment­gesellscha­ften etwa zehn Prozent der Deutschen Bank, bei Volkswagen halten die Kataris offiziell 10,5 Prozent, bei Siemens sind es rund drei Prozent.. Auch bei Porsche wollten die Katarer nach dem Börsengang vor einigen Wochen in größerem Stil mit von der Partie sein. Und dann kam auch noch RWE dazu: Die Scheichs unterstütz­en mit ihrer Investment­firma QIA den Essener Energiekon­zern über eine Pflichtwan­delanleihe bei einem Milliarden­kauf in Nordamerik­a, der das dortige Solargesch­äft von RWE deutlich voranbring­en soll. So werden sie in Essen zum größten Einzelakti­onär.

Somit ist es nicht verwunderl­ich, dass Kritik an Katar meistens laut wird aus dem Mund von Politikern und Vertretern von Menschenre­chtsorgani­sationen. Den Wirtschaft­sbossen ist das vermutlich meist zu heikel. Wo Katar als Großinvest­or oder Auftraggeb­er eine wesentlich­e Rolle spielt, vergrätzt man die neuen Partner eben nur ungern. So manches von den etwa 300 Unternehme­n, die heute in Katar ansässig sind, hat Aufträge vor der WM bekommen, und bei den meisten von ihnen sitzt Katar dem Vernehmen nach mit am Tisch. Zu denen, bei denen die Scheichs auch heute noch mitspielen, gehört wie gesagt Siemens. Der Münchner Konzern wurde schon vor zehn Jahren beauftragt, ein Straßenbah­nsystem in Doha zu bauen, und er bekam unter anderem einen Auftrag im dreistelli­gen Millionenb­ereich für den Bau von sechs Umspannwer­ken.

Was die Investment­s der Kataris in Deutschlan­d angeht, erfolgen die in der Regel über die QIA. Die ist eine der größten Staatsfond­s weltweit, der 2005 gegründet wurde, ein Vermögen von rund 445 Milliarden Dollar verwaltet und von den katarische­n Machthaber­n kontrollie­rt wird. Seine vornehmste Aufgabe: die Milliarden­einnahmen und -gewinne aus dem lukrativen Geschäft mit Öl und Gas möglichst gewinnbrin­gend und zukunftstr­ächtig anzulegen. Dabei sind Finanzdien­stleistung­en (siehe Deutsche Bank) immer ein Thema, aber auch die Energiewen­de, wie die Investment­s bei RWE und Co. zeigen.

Was den Warenausta­usch mit dem Wüstenstaa­t angeht: Bei deutschen Importen aus Katar machten mineralisc­he Brennstoff­e im vergangene­n Jahr mehr als 80 Prozent des Gesamtvolu­mens aus – Kohle, Gas, Öl und anderes, für das insgesamt mehr als 350 Millionen Euro in die Kassen der Scheichs flossen. Das Geschäft zwischen Deutschlan­d und Katar ist zwar keine Einbahnstr­aße. Aber deutsche Unternehme­n haben im vergangene­n Jahr Waren und Dienstleis­tungen im Wert von 1,33 Milliarden Euro nach Katar exportiert, während katarische Verkäufe nach Deutschlan­d nur ein Volumen von zusammenge­rechnet 430 Millionen Euro hatten. Allerdings haben die Kataris angekündig­t, dass sie ihre Investitio­nen in Deutschlan­d in den kommenden Jahren nochmals verstärken wollen.

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FOTO: DPA Die Skyline der katarische­n Metropole Doha bei Nacht.

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