Verzögertes Handeln
Europäische Zentralbank
Zu „US-Notenbank kündigt weitere Zinsschritte an“(RP vom 4. November): Wir hören vielfach, die Europäische Zentralbank handle im Vergleich zur US-Notenbank fahrlässig zögerlich. Diese Argumentation ist wenig stichhaltig. Die Inflation in den USA ist getrieben durch die Nachfrage. Sie ist allein auf eine überhitzte Konjunktur
zurückzuführen, denn man hat dort kein Problem zu hoher Energiebezugspreise. Demzufolge kann die Fed auf das bewährte Mittel, nämlich die Leitzinserhöhung, zurückgreifen. In der EU haben wir jedoch eine vom Angebot getriebene Inflation, gegen die die EZB im Grunde gar nichts ausrichten kann. Man versucht daher, den Leitzins-Unterschied nicht zu krass ausfallen zu lassen, damit Anlegerkapital zugunsten von Anleihen nicht in die USA abwandert. Denn damit verteuert sich der Dollar als Notationswährung für den Energieeinkauf gegenüber dem Euro, was die Inflation im Euro-Raum weiter antreibt. Die EZB handelt demnach zeitverzögert und moderat, um die Konjunktur nicht abzuwürgen, insofern folgerichtig.
Martin Kamrath Meerbusch