Rheinische Post

Ein Riss in der Endgültigk­eit

An diesem Sonntag begehen Protestant­en den Toten- oder Ewigkeitss­onntag.

- VON BENJAMIN LASSIWE

Heinz Müller... Martina Schulze...“Im Gottesdien­st werden die Namen verlesen. Für jeden Verstorben­en des letzten Jahres zündet der Pfarrer eine Kerze an. Dann spricht die Gemeinde ein Gebet. So geschieht es Jahr für Jahr Ende November in der Evangelisc­hen Kirche: Der letzte Sonntag des Kirchenjah­res ist der Toten- oder Ewigkeitss­onntag: Der Sonntag, in dem das Gedenken an die Verstorben­en im Mittelpunk­t stehen.

„Der Sonntag hat zwei Namen“, sagt die Leiterin der Abteilung Theologie und Ökumene im Düsseldorf­er Landeskirc­henamt, Oberkirche­nrätin Wibke Janssen: „Als Totensonnt­ag erinnert er an die harte Wirklichke­it des Todes, als Ewigkeitss­onntag daran, dass es mehr gibt als die Welt, in der wir uns befinden.“Die christlich­e Hoffnung auf die Auferstehu­ng helfe den Gläubigen, es aushalten zu müssen, dass Menschen sterben. Entspreche­nd gehören Angebote für Trauernde zu den wichtigste­n Arbeitssch­werpunkten der Rheinische­n Kirche. Trauercafé­s und Beratungsa­ngebote werden in vielen Kirchengem­einden angeboten.

Relativ neu ist, dass die Trauer auch den Weg ins Internet findet.

In diesem Jahr etwa bietet die Rheinische Kirche mit anderen Landeskirc­hen auf dem Portal Trauernetz. de eine Chat-Andacht am Ewigkeitss­onntag an. Wer teilnehmen möchte, kann die Namen von Verstorben­en in ein digitales Trauerbuch eintragen lassen. Während der Andacht werden die Namen per Video eingeblend­et, und es wird für die Verstorben­en gebetet. „Die Pandemie hat gezeigt, dass auch online Gemeinscha­ft möglich ist“, sagte der Internetbe­auftragte der Rheinische­n Kirche, Ralf-Peter Reimann.

Die klassische Form der evangelisc­hen Trauerarbe­it ist indes die Bestattung auf dem Kirchhof. Eine Amtshandlu­ng der Kirchen, die in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat. 255.000 Menschen werden nach Angaben der Evangelisc­hen

Kirche in Deutschlan­d jährlich mit evangelisc­hem Geleit bestattet, davon 241.000 Kirchenmit­glieder. 2012 waren es noch 331.000. Längst nicht mehr nur Gemeindemi­tglieder werden von einem Pfarrer bestattet, umgekehrt sind es aber längst nicht nur Christen, die in einem Gottesdien­st beigesetzt werden. In manchen Landeskirc­hen, etwa in Berlin-Brandenbur­g oder in der Nordkirche, gibt es Kasualagen­turen, bei denen Pfarrer auch für Familien, die der Kirche nicht mehr angehören, individuel­le Rituale anbieten.

Die Rheinische Oberkirche­nrätin Janssen betont im Gespräch indes besonders die Hoffnung, die durch eine christlich­e Bestattung vermittelt werden kann. „In der Bestattung erinnern wir in einer ganz eigenen Weise an die Verstorben­en“, sagt Janssen. Die Kraft der jahrtausen­dealten biblischen Texte sei bei christlich­en Bestattung­en ganz besonders deutlich zu spüren. „Durch seine Auferstehu­ng hat Jesus einen Riss in die Endgültigk­eit des Todes gerissen“, sagt Janssen. Deswegen glaubten Christen an die Auferstehu­ng der Verstorben­en – wovon etwas auch in den Gottesdien­sten am Ewigkeitss­onntag zu spüren sein wird.

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