Die Qual der Wahl
Die Professorenschaft an der Kunstakademie ist zerstritten. Die Entscheidung über den neuen Rektor ist auf Dezember verschoben.
DÜSSELDORF Die Wahl eines Rektors an einer Kunstakademie ist schwieriger als gedacht, denn kaum ein Künstler will das höchste Amt übernehmen. In München macht es ein Werkstattleiter, an der Universität der Künste Berlin ein Verwaltungsmensch. Die verbeamteten Künstler-Professoren aber fürchten die Mehrbelastungen. In Düsseldorf kommen Machtkämpfe hinzu.
Der bisherige Rektor Karl-Heinz Petzinka warf die Brocken im Juni hin und verließ das Haus Ende September. Damit musste automatisch einer der beiden Prorektoren die Geschäfte übernehmen. Der habilitierte Kunsthistoriker Johannes Myssok übernahm nicht nur die kommissarische Leitung, sondern stellte sich inzwischen auch offiziell zur Wahl. Die Wahl sollte an diesem Samstag stattfinden. Das wird sie aber nicht. Sie ist neuerdings auf den 19. Dezember verschoben.
Immerhin wurde in der Zwischenzeit mit Matthias Neuendorfer ein Wahlleiter bestellt. Der Meisterschüler von Nam June Paik besitzt zugleich das Diplom der Kunsthochschule für Medien in Köln und ist ein herausragender Medienkünstler. Seit 2014 leitet er die zentralen Einrichtungen Video und Film. In der Akademie hat er noch einen bezeichnenden Nebenjob als Konfliktberater. Dazu heißt es: „Zur Sicherheit im Umgang mit Konfliktfällen und zum Schutz von Betroffenen und Anzeigenden sowie letztlich zur Wahrung eines Umfelds und Klimas respektvollen und gleichberechtigten Miteinanders“stehe er unterstützend zur Seite.
Nun ist der Konflikt an der Akademie hausgemacht, denn einerseits hält Kanzlerin Johanna Boeck-Heuwinkel alle Fäden in der Hand. Sie betont auch, dass die Wahl keine Eile habe. Man habe ja in Myssok den Mann, der das Rektorat führt.
Verständlich, dass Myssok die demokratische Legitimation durch eine Wahl gerne hätte. Aber derzeit gibt es unter der ehemaligen Rektorin Rita McBride eine Fraktion, die einen starken Einfluss ausübt. Ihre Künstlerkollegen haben das ungute Gefühl, dass sie von Myssok nicht
richtig, vor allem nicht richtig nach außen repräsentiert werden. Er habe alle Probleme unter Rektor KarlHeinz Petzinka mitgetragen, als Teil des Rektorats. Er mache schließlich seinen Job seit acht Jahren. Er sei ein Mann der Kontinuität, nicht der Erneuerung. Das würde darauf hinauslaufen, eine externe Position ans Haus zu holen.
Die Situation an der Eiskellerstraße ist durch zweierlei Gesetze und Verordnungen verfahren: Laut Kunsthochschulgesetz NRW von 2008, mit Stand vom 12. November 2022, wird der Rektor aus dem Kreis der Professoren innerhalb der Gruppe der Hochschullehrer gewählt. Es kann aber auch ein Externer gewählt werden, also jemand, der „weder Mitglied noch Angehöriger der Kunsthochschule ist“. Das ginge allerdings nicht im Eilverfahren. Seine Wahl setzt voraus, dass die Stelle zuvor
öffentlich ausgeschrieben wird und der Kandidat eine „angemessene Leitungserfahrung“besitzt.
Gegen diese Gesetze und Verordnungen des Landes NRW kontert die Düsseldorfer Akademie mit einer eigenen Grundordnung, die sie sich im Mai 2021 gab, als KarlHeinz Petzinka noch fest im Sattel
saß. Danach wird der Rektor nur intern durch den Senat gewählt. Petzinka ging seinerzeit noch davon aus, dass ein Rektor ein herausragendes Amt bekleidet und dass sich die Kandidaten darum reißen werden. Inzwischen spricht man intern gar von einem „Shit-Job“. So ist das Amt des Rektors eine Arbeit, die niemand machen will. Die Akademie müsste also diese Grundordnung ändern, um einen Rektor von außen zu gewinnen. Sie bräuchte das nicht, denn der Einzige, der intern den Kopf hinhält, ist Myssok.
Bis zum 19. Dezember ist noch Zeit. Vielleicht gelingt es, dass Prorektor Robert Fleck seinem Kollegen
nicht nur die Stange hält, sondern auch für den nötigen Rückhalt bei den Künstlern sorgt. Der Kunstgeschichtler müsste vom Senat gewählt werden, der aus 15 Leuten besteht. Er bräuchte also acht Stimmen, mithin nur eine einzige Stimme aus der Künstlerschaft, wenn er gewinnen will.