Bewegter Winter
Wenn es knackig-kalt wie in Finnisch-Lappland ist, muss man in Bewegung bleiben. Bei aller Abgeschiedenheit gibt es dafür in der Gegend von Salla unterschiedliche Möglichkeiten – von Schneeschuhwanderungen bis zur Fahrradtour.
Nach der Ankunft am kleinen Aussichtspunkt muss man erstmal grinsen. „Salla in the Middle of Nowhere“, Salla mitten im Nirgendwo, steht da so selbstbewusst wie selbstironisch auf dem Schild. Und tatsächlich, da ist schon was Wahres dran, denkt man sich amüsiert, während man kurz darauf in die Weite und über die verschneiten Wälder dieser Gemeinde von FinnischLappland blickt. Auch der kleine Ort Salla selbst, der dort im dünn besiedelten Norden liegt, hat nicht viele Einwohner. So um die 3000 sind es. Weit weniger als Rentiere also, von denen rund 10.000 durch die Landschaft ziehen.
Sicher sind die Auswirkungen der Erderwärmung auch hier zu spüren. Trotzdem sind die Winter, die man in Lappland erleben kann, nach wie vor verhältnismäßig extrem. Schnee liegt teils bis in den Juni, und die Temperaturen sinken schon mal bis in den tiefen, zweistelligen Minusbereich. Dazu sind am Polarkreis die Tage kurz und das Sonnenlicht ist rar. Einige Wochen schafft es die Sonne gar nicht über den Horizont; danach immerhin jeden Tag ein Stückchen mehr und ein bisschen länger.
All das hält in Salla allerdings niemanden ab, rauszugehen. Nicht nur, um in den Abendstunden dem bunten Lichtphänomen der Nordlichter nachzujagen, sondern auch, um tagsüber die Natur, Schnee und Eis zu erleben. Dafür gibt es schließlich nicht nur warme Kleidung, sondern trotz aller Abgeschiedenheit auch unterschiedliche und sehr ungewöhnliche Möglichkeiten – von Langlaufskiern bis zum Fahrrad. Also rein in die Winterkleidung, Stiefel und Handschuhe an, Mütze auf – und los! Zunächst erstmal aber noch ganz bedächtig: auf Schneeschuhen durch den neuen Nationalpark Salla, den man im Sommer auf einem 300 Kilometer umfassenden Netz von Wanderwegen erkunden kann. Beim Aufstieg auf den 479 Meter hohen Berg Iso Pyhätunturi ist schnell erkennbar, dass es sich nicht um eine kommerzielle Monokultur, sondern um eine Vielfalt von Bäumen in unterschiedlichsten Formen handelt. Da die Stämme und Äste größtenteils so dick eingepudert sind und zwischendurch ein wenig Nebel aufsteigt, hat man den Eindruck, als würde man durch ein romantisches Wintermärchenland stapfen. Auch wenn die Bäume dort mitunter recht klein sind, sind sie teilweise schon 300 bis 400 Jahre alt.
Bis auf das Knirschen des Schnees, das Klappern der Schneeschuhe und die manchmal in der Ferne vorbeirauschenden Schneemobile ist es still auf der Wanderung. Das ist bei der nächsten Aktivität anders. Die Sibirischen Huskys bellen wild durcheinander und sind dabei mindestens so aufgeregt wie diejenigen, die gleich hinter ihnen auf dem Schlitten stehen werden. „Mindestens eine Hand sollte immer am Schlitten bleiben – niemals loslassen“, erklärt Hundeschlittenführerin Christina. „Außerdem ist es gut, den Hund zu unterstützen, wenn es bergauf geht, und mit einem Fuß mit zu treten.“Die Leine zu den Tieren sollte zudem immer stramm sein, damit der Schlitten nicht in die Tiere fährt und sie verletzt.
Schon während dieser kurzen Einführung stehen die Hunde wie unter Strom und wollen endlich loslegen. Dann geht es los und man spürt, wie sich ihre aufgestaute Energie mit vollem Laufeifer entlädt. Fünf Vierbeiner ziehen zwei Mitfahrer – eine Person lenkt dabei, die andere sitzt davor und kann entsprechend eingemummelt die Natur, vor allem aber die süßen Kraftpakete auf vier Beinen beobachten, von denen jedes auf andere und ganz eigene Weise den Schlittenjob erledigt.
So beliebt die Huskytouren in diesen Breitengraden auch sind, es sind andere Tiere, an denen es in Lappland keinen Weg vorbei gibt: Rentiere. Seit jeher sind die Sami, die Ureinwohner Lapplands, schließlich Rentierhirten. Bis heute setzt sich diese Tradition fort. Das Fleisch und das warme Fell werden schließlich auf unterschiedliche Weise verarbeitet. Außerdem begegnet man den Rentieren in
der wilden Natur, in Gehegen oder eben, wie an diesem Tag, auf einer Schlittentour.
Wenn es so kalt, eisig und verschneit ist wie heute, scheint ein anderes Fortbewegungsmittel hingegen eher wie eine dumme Idee: das Fahrrad. Doch es gibt in der Umgebung sogar eigens Routen unterschiedlicher Länge für das Winterbiken. Und auch Joni Pohja sieht das anders. „Ich mag Winterbiken, weil es sich trotz Schnee wie normales Radeln anfühlt – das ist ein tolles Gefühl“, sagt der 27-Jährige, als er die rechtzeitig aufgetauten Räder auf den Schnee stellt.
Für E-Bikes ist es bei Temperaturen um die minus 20 Grad allerdings zu kalt. Und auch um normale Tourenräder handelt es sich natürlich nicht. Bei diesen extremen Bedingungen braucht man sogenannte Fat-Bikes mit sehr dicken Reifen. Die sorgen für den nötigen Halt auf den rutschigen Oberflächen – und den hat man damit, das merkt man sehr schnell, tatsächlich. Ordentlich eingepackt inklusive Motorradhaube und dicken Handschuhen fährt man schon nach den ersten zaghaften Metern ganz normal wie auf einer Tour bei mildem Wetter – also fast zumindest.