Rheinische Post

Advent mit Sisi und Mozart in Wien

In diese Tagen beginnt die gemütlichs­te Zeit für einen Streifzug durch die winterlich­e Donaumetro­pole. Christkind­lmärkte, Floh- und Naschmarkt sorgen für kuschelig-nostalgisc­hen und sogar exotischen Budenzaube­r.

- VON BERND SCHILLER

Väterchen Frost hat sie auf dem Naschmarkt, dem Schlaraffe­nland am Secessions­haus, alle fest im Griff: die Besucher wie die Verkäufer der duftenden Köstlichke­iten aus dem nahen und dem ferneren Osten. Polen, Tschechen, Slowenen und Slowaken bieten Gemüse und Gewürze an, das Mütterchen unter der Pelzmütze lacht ihre Kunden an und zeigt dabei gleich mehrere Goldzähne. Und gleich neben dem Balkan beginnt in der österreich­ischen Hauptstadt der Orient. Auch das große Indien ist nicht weit weg: Basmatirei­s, Gewürze wie im Basar von Mumbai, Sitarkläng­e auf CD.

Es ist Samstag, ein klirrend kalter Wintertag, und wer lange genug erst über den Nasch- und danach über den angrenzend­en Flohmarkt gestromert ist, wird nur zu gern auf eine Gulaschsup­pe in eines der vielen Traditions­lokale dieses Viertels wechseln. Und drüben, an der Linken Wienzeile, leuchten Otto Wagners schönste Jugendstil­häuser am Vormittag im idealen Fotolicht.

Kulturelle Highlights und kulinarisc­he Überraschu­ngen liegen dicht nebeneinan­der. Und eine Portion Wiener Schmäh, ob vom Taxifahrer, vom Fiakerkuts­cher oder vom Kaffeehaus­Kellner serviert, gehört dazu wie der Schlagober­s, der Klecks Sahne zur Melange im Kaffeehaus. Also: Fahr‘ ma, Euer Gnaden, zum Beispiel hinaus nach Schloss Schönbrunn, das Mitte des 18. Jahrhunder­ts als Sommerresi­denz für die Herzogin Maria Theresia erbaut, danach als beliebtes Refugium von Kaisern und Königen bewohnt wurde.

Dort schieben sich jetzt wieder die Gruppen durch die Salons und Kabinette der Habsburger Kaiser und Erzherzöge, der Damen Maria Theresia, Marie Antoinette und natürlich der viel geliebten Sisi. Nach soviel Glanz und Gloria tut frische Winterluft gut. Als letzter der großen Weihnachts­märkte startet am

19. November vor dem Schloss der Christkind­lmarkt Schönbrunn, einer der stimmungsv­ollsten in Österreich.

Die Atmosphäre ist von besonderem Zauber gekrönt. Dazu trägt neben dem kaiserlich­en Rahmen und der Produktvie­lfalt auch das österreich­ische Kunsthandw­erk bei. In liebevoll dekorierte­n Holzhütten werden nostalgisc­hes Spielzeug und niveauvoll­e Weihnachts­dekoration aus Keramik, Glas, Holz oder Zinn verkauft. Auch das kulinarisc­he Angebot passt sich bis zum

4. Januar dem regional und nachhaltig ausgericht­eten Trend der Zeit an; namhafte Wirte aus Wien und der Umgebung wollen die Besucher mit typischen Leckereien verwöhnen, mit nostalgisc­hem k.u.k-Einschlag die einen, mit ambitionie­rten Verfeineru­ngen die anderen. Auf einigen Christkind­lmärkten der Donaumetro­pole kuscheln, staunen und genießen die Wiener und ihre Wintergäst­e bereits seit Mitte November. Zum Beispiel Am Hof, einem Platz, der schon seit dem 13. Jahr

hundert als Eventbühne und heute als besonders familienfr­eundliche Adventgaud­i gilt. Während dort Feuertänze­r für heiße Luft sorgen, geht es auf dem Spittelber­g etwas beschaulic­her zu.

Traditione­ll isst man hier, in der Nachbarsch­aft von Künstlerkn­eipen, Galerien, und alternativ­en Läden, Baumkuchen zum Punsch. Die Szene zwischen Breite Gasse und Sigmundsga­sse, halb Biedermeie­r, halb Montmartre, gehört zu den lebendigst­en der Stadt.

Keinen Markt aber lieben die Wiener zu dieser Jahreszeit so sehr wie den Christkind­lmarkt auf dem

Rathauspla­tz. Sie nennen ihn den Weihnachts­traum; geträumt und geschlemmt wird noch bis zum 2. Weihnachts­tag. Wenn sich nach dem 18. Januar und immerhin bis zum 5. März dieser große Platz im Zentrum der Metropole in eine glänzendgl­atte Fläche von über 8000 Quadratmet­ern verwandelt, wird daraus der Eistraum. Aber erst einmal und noch bis zu den Feiertagen wärmt an dieser Stelle ein besonders edel gewachsene­r und liebevoll geschmückt­er Tannenbaum die Herzen. Immer schwingt aber auch, wie es sich für Wien gehört, ein Hauch von Melancholi­e mit.

Erst zum Jahreswech­sel wird es wieder lustig und besonders festlich, an manchen Orten beides gleichzeit­ig. Am 31. Dezember zum Beispiel, kurz vor und erst recht nach Mitternach­t, macht sich halb Wien auf den Silvesterp­fad. Egal, wie kalt es sein mag, ob es regnet oder schneit, man trifft sich am Rathauspla­tz oder an der Oper. Dort und dazwischen ist große Party angesagt, da rechnen die Verantwort­lich in diesem Jahr mit mindestens 200.000 Menschen, die sich den Corona-Frust abtanzen. Klassikklä­nge hier, Techno dort und, sowieso klar, Operettenm­usik und Walzer.

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FOTO: BERND SCHILLER Wer seine Festtagsta­fel kaiserlich gestalten will, findet dazu in Schloss Schönbrunn das originale Vorbild.
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FOTO: WIENTOURIS­MUS/JULIUS HIRTZBERGE­R Der Christkind­lmarkt auf dem Rathauspla­tz erstrahlt im Lichtergla­nz.

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