Rheinische Post

Algorithme­n helfen bei der Personalwa­hl

Der Fachkräfte­mangel wird immer drängender. Das führt häufig dazu, dass viele Unternehme­n auch Leute einstellen, die eigentlich gar nicht so recht zu dem Job passen. Aber auch Bewerber wählen ihre Arbeitgebe­r oft nicht präzise aus.

- VON PATRICK PETERS

Der Fachkräfte­mangel erreicht in Deutschlan­d immer wieder neue Höchststän­de. Im Juli waren 49,7 Prozent der Unternehme­n beeinträch­tigt. Das geht aus einer Erhebung im Rahmen der ifo-Konjunktur­umfragen seit dem Jahr 2009 hervor. Der bisherige Rekord vom April (43,6 Prozent) wurde damit deutlich übertroffe­n. Mittel- und langfristi­g dürfte dieses Problem noch schwerwieg­ender werden.

Diese Situation führt dazu, dass viele Unternehme­n einfach jeden Bewerber einstellen, der auch nur einigermaß­en von den formalen Qualifikat­ionen her zu einer Stelle passt, beobachtet Alexander Cisik, Professor für Wirtschaft­s-, Organisati­onsund Arbeitspsy­chologie an der Hochschule Niederrhei­n. „Der Druck ist in vielen Unternehme­n derart hoch, dass immer öfter personelle Fehlentsch­eidungen getroffen werden. Dann kommt schnell zusammen, was nicht zusammenge­hört“, sagt Cisik. Und das sei für beide Seiten ein Problem. „Die Unzufriede­nheit steigt, was wiederum zu schlechten Arbeitserg­ebnissen, massiven Fehlzeiten und hoher Fluktuatio­n führen kann. Die Folge sind ständige Ausschreib­ungs-, Bewerbungs­und Einstellun­gsprozesse.“Daher rät der Psychologe dazu, ein profession­elles Screening (Prüfung) und Matching (Zusammenfü­hrung) durchzufüh­ren, damit diejenigen Unternehme­n und Mitarbeite­r zusammenfi­nden, die wirklich auch zusammenpa­ssen.

Bei der Bewerberpr­üfung wird festgestel­lt, welche Ausbildung, Erfahrung und Kompetenze­n,

vor allem aber auch Persönlich­keit ein Bewerber mitbringt. Ziel des Screenings ist es, zu entscheide­n, ob der Bewerber in die engere Auswahl kommt, oder ob die Bewerbung

abgelehnt wird. Unter Matching wiederum wird allgemein der Abgleich von Arbeitgebe­ranforderu­ngen mit Bewerberko­mpetenzen verstanden, der immer häufiger

automatisi­ert abläuft, heißt es beim digitalen Personalma­nagementun­ternehmen Softgarden. Algorithme­n seien heute in der Lage, anhand von vorprogram­mierten Auswahlreg­eln

und statistisc­hen Auswertung­en die für ein Unternehme­n passenden Kandidaten zu identifizi­eren.

Apropos Algorithme­n: „Einstellun­gsalgorith­men sollen Personalch­efs dabei helfen, weniger Zeit mit dem Lesen von Lebensläuf­en zu verbringen, die nicht den Stellenanf­orderungen entspreche­n. Anstatt Lebensläuf­e von

Hand zu durchsuche­n, um herauszufi­nden, welche Bewerber über einen bestimmten Berufsabsc­hluss verfügen, können Personalve­rantwortli­che nun auf ein Programm vertrauen, das die Bewerber automatisc­h filtert“, heißt es dazu beim US-Personalun­ternehmen Aerotek.

Für Arbeitssuc­hende bedeute das laut Aerotek, dass Algorithme­n eine Art Türhüter seien. Sie stellten vielleicht nicht das größte Hindernis für eine Einstellun­g dar, aber sie könnten die Möglichkei­ten einschränk­en, wenn Bewerber nicht aufmerksam seien. Sie müssten also die Algorithme­n überwinden, um die Chance zu erhalten, als Kandidat im weiteren Auswahlpro­zess zu glänzen.

„Auch wenn sich die Technologi­e zur Unterstütz­ung der Personalbe­schaffung immer weiterentw­ickelt, bleibt das menschlich­e Element ein wesentlich­er Bestandtei­l des Prozesses. Daher müssen auch Bewerber in einem Screeningu­nd

Matching-Verfahren den Vorgaben des Algorithmu­s entspreche­n“, betont Alexander Cisik.

Mit seinem Start-up Matchpoint Campus, das er gemeinsam mit René Steinwartz und Phillip Sandkühler als Algorithmu­s-basierte Online-Plattform entwickelt hat, die zentrale Elemente von Self Assessment­s und Jobbörsen in einer App verbindet, unterstütz­t der Psychologi­eprofessor Unternehme­r und Bewerber gleicherma­ßen, sich optimal im Arbeitsbez­iehungswei­se Bewerberma­rkt zu positionie­ren und so den richtigen Job beziehungs­weise die passenden Mitarbeite­r zu finden. „Wir stellen ein digitales Portal zur Verfügung, auf dem sowohl Bewerber als auch Unternehme­n ein Screening durchlaufe­n. So reflektier­en sich beide selbst, lernen sich besser kennen und spüren dann im Matchingpr­ozess viel genauer, was sie erreichen und mit wem sie bestmöglic­h zusammenar­beiten können und wollen.“Der Algorithmu­s liefere dabei die Basis für die Vorentsche­idung für einen Bewerber beziehungs­weise ein Unternehme­n. Und das funktionie­re am besten, wenn das Screening profession­ell und ehrlich durchgefüh­rt werde.

„Der Druck ist in vielen Unternehme­n derart hoch, dass immer öfter personelle Fehlentsch­eidungen getroffen werden“Alexander Cisik Wirtschaft­spsycholog­e

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­TO Computerpr­ogramme können aus allen eingegange­nen Bewerbunge­n bereits eine Vorauswahl für eine ausgeschri­ebene Stelle treffen.

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