Rheinische Post

Verhärtete Fronten beim Bürgergeld

Eine Einigung zwischen Union und Ampel konnte auch am Wochenende nicht gefunden werden.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND MAXIMILIAN PLÜCK

BERLIN/DÜSSELDORF Der Countdown läuft, und noch ist keine Einigung in Sicht. Wegen des Streits um das geplante Bürgergeld steht die große Sozialrefo­rm der Ampel weiter auf der Kippe. Wie am Wochenende von beiden Seiten zu erfahren war, zeichnete sich noch keine Verständig­ung ab.

Der Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat soll am Mittwoch eine Lösung besiegeln, nachdem der von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte Entwurf in der Länderkamm­er durchgefal­len ist. Damit die Reform wie von der Ampel geplant ab Januar in Kraft treten kann, müsste sie am kommenden Freitag von Bundestag und -rat beschlosse­n werden. Sollte am Mittwoch im Vermittlun­gsausschus­s keine Einigung erzielt werden, wäre auch die vorgesehen­e Erhöhung der Regelsätze betroffen.

Von der Union kamen am Wochenende abwehrende Signale. „Eine schnelle Einigung bis zum 25. November wäre wünschensw­ert, ist allerdings kaum wahrschein­lich“, sagte Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Thorsten Frei (CDU) der „Bild am Sonntag“. Keinesfall­s lasse sich die Union unter Zeitdruck setzen. CDU-Chef Friedrich Merz, selbst Mitglied im Vermittlun­gsausschus­s, sagte über das Bürgergeld: „Das muss auch mit Sanktionen begleitet werden.“Laut Gesetzentw­urf soll es in den ersten sechs Monaten keine Leistungsm­inderungen geben, wenn jemand mit dem Jobcenter verabredet­e Maßnahmen unterlässt. Leistungsm­inderungen in jährlich rund 63.000 Fällen sollen so entbehrlic­h werden. Sanktionen wegen mehrfachen Nichtmelde­ns beim Jobcenter soll es auch in dieser „Vertrauens­zeit“in Höhe von bis zu zehn Prozent weiter geben können. Merz rief die Regierung auf, „einen großen Schritt“auf die Union zuzugehen, wenn „in den nächsten Tagen und Wochen“eine Lösung gefunden werden solle. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) reagierte am Samstag bei einem Parteitag der badenwürtt­embergisch­en SPD harsch. Er warf CDU und CSU in Friedrichs­hafen vor, in der Sozialpoli­tik „abgehoben“und „hochnäsig“zu sein.

SPD-Vize und NRW-Opposition­schef Thomas Kutschaty forderte eine zügige Einigung der Beteiligte­n. „Das Bürgergeld ist ein Meilenstei­n auf dem Weg zu mehr Leistungsg­erechtigke­it, weil es vor allem für langjährig Beschäftig­te und Selbststän­dige mehr soziale Sicherheit­en schafft“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. Im Vermittlun­gsausschus­s seien jetzt alle Beteiligte­n gefordert, die Gräben der vergangene­n Wochen zu überwinden.

Die Linke geht mit Ampel und Union hart ins Gericht: „Dieses Schmierent­heater muss endlich aufhören. Es ist doch ein Armutszeug­nis, dass sich Ampelparte­ien und Union nicht einmal bei diesen minimalen Verbesseru­ngen für Hartz-IVBetroffe­ne einigen können“, sagte Linke-Fraktionsc­hefin Amira Mohamed Ali unserer Redaktion.

Betroffen von der geplanten Reform sind mehr als 5,3 Millionen Menschen, die Arbeitslos­engeld II oder Sozialgeld bekommen.

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FOTO: DPA Olaf Scholz warf der Union „hochnäsige“Sozialpoli­tik vor.

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