Verhärtete Fronten beim Bürgergeld
Eine Einigung zwischen Union und Ampel konnte auch am Wochenende nicht gefunden werden.
BERLIN/DÜSSELDORF Der Countdown läuft, und noch ist keine Einigung in Sicht. Wegen des Streits um das geplante Bürgergeld steht die große Sozialreform der Ampel weiter auf der Kippe. Wie am Wochenende von beiden Seiten zu erfahren war, zeichnete sich noch keine Verständigung ab.
Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat soll am Mittwoch eine Lösung besiegeln, nachdem der von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte Entwurf in der Länderkammer durchgefallen ist. Damit die Reform wie von der Ampel geplant ab Januar in Kraft treten kann, müsste sie am kommenden Freitag von Bundestag und -rat beschlossen werden. Sollte am Mittwoch im Vermittlungsausschuss keine Einigung erzielt werden, wäre auch die vorgesehene Erhöhung der Regelsätze betroffen.
Von der Union kamen am Wochenende abwehrende Signale. „Eine schnelle Einigung bis zum 25. November wäre wünschenswert, ist allerdings kaum wahrscheinlich“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der „Bild am Sonntag“. Keinesfalls lasse sich die Union unter Zeitdruck setzen. CDU-Chef Friedrich Merz, selbst Mitglied im Vermittlungsausschuss, sagte über das Bürgergeld: „Das muss auch mit Sanktionen begleitet werden.“Laut Gesetzentwurf soll es in den ersten sechs Monaten keine Leistungsminderungen geben, wenn jemand mit dem Jobcenter verabredete Maßnahmen unterlässt. Leistungsminderungen in jährlich rund 63.000 Fällen sollen so entbehrlich werden. Sanktionen wegen mehrfachen Nichtmeldens beim Jobcenter soll es auch in dieser „Vertrauenszeit“in Höhe von bis zu zehn Prozent weiter geben können. Merz rief die Regierung auf, „einen großen Schritt“auf die Union zuzugehen, wenn „in den nächsten Tagen und Wochen“eine Lösung gefunden werden solle. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte am Samstag bei einem Parteitag der badenwürttembergischen SPD harsch. Er warf CDU und CSU in Friedrichshafen vor, in der Sozialpolitik „abgehoben“und „hochnäsig“zu sein.
SPD-Vize und NRW-Oppositionschef Thomas Kutschaty forderte eine zügige Einigung der Beteiligten. „Das Bürgergeld ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Leistungsgerechtigkeit, weil es vor allem für langjährig Beschäftigte und Selbstständige mehr soziale Sicherheiten schafft“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. Im Vermittlungsausschuss seien jetzt alle Beteiligten gefordert, die Gräben der vergangenen Wochen zu überwinden.
Die Linke geht mit Ampel und Union hart ins Gericht: „Dieses Schmierentheater muss endlich aufhören. Es ist doch ein Armutszeugnis, dass sich Ampelparteien und Union nicht einmal bei diesen minimalen Verbesserungen für Hartz-IVBetroffene einigen können“, sagte Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali unserer Redaktion.
Betroffen von der geplanten Reform sind mehr als 5,3 Millionen Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld bekommen.