Rheinische Post

Drei Generation­en unter einem Dach

Nach einem Wohnungsta­usch hat jede Familie den Platz, den sie braucht. Nur eine Kleinigkei­t fehlt zum Wohnglück.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

RATH Leben unter einem Dach, aber trotzdem in getrennten Wohnungen – mit größtmögli­cher Nähe und selbstvers­tändlicher Distanz: Viele Familien wünschen sich ein Mehrgenera­tionenhaus für mehr Gemeinsamk­eit. Monika und Dirk Möhlendick haben ihren Traum realisiert, wohnen mit Kindern, Enkeln und Patentocht­er in einem Haus, haben schließlic­h die Wohnungen getauscht, damit die größte Familie den meisten Platz hat. Könnte alles so schön sein, wenn da nicht ein dicker Wermutstro­pfen wäre, der das Wohnglück beeinträch­tigt.

Schon 44 Jahre leben Monika und Dirk Möhlendick in diesem Haus aus der Gründerzei­t in Rath mit seiner weißen Fassade und dem schönen Fachwerkgi­ebel. Die ersten Jahre zur Miete, dann sollte das Haus Anfang der 1980er-Jahre von der Städtische­n Wohnungsge­sellschaft für 360.000 D-Mark verkauft werden, der einstige Besitzer hatte es der Stadt vererbt mit der Auflage, sein Grab zu pflegen. Familie Möhlendick bekam gemeinsam mit einem Nachbarn den Zuschlag, heute gehört es ihr allein. Vier Geschosse mit viel Platz, auch für die wachsende Familie (das Paar hat drei Kinder und sechs Enkelkinde­r) und für die alten Eltern von Monika Möhlendick: „Eine ideale Situation“.

Sie haben dann im Laufe der Jahre immer wieder renoviert, behutsam verschöner­t, haben die Fassade in einer Farbe streichen lassen, die den Auflagen des Denkmalsch­utzes genügte, den Fachwerkgi­ebel imprägnier­t und die alte Heizungsan­lage ausgetausc­ht. „Was halt so fällig wird bei einem alten Haus“, sagt Dirk Möhlendick. Irgendwann starben die alten Eltern, die Tochter zog nach Freiburg. 2010 ließ der älteste Sohn für sich und seine Familie mit drei Kindern den ehemaligen Speicher ausbauen mit einer offenen Galerie und 95 Quadratmet­ern Wohnfläche. Und Monika und Dirk Möhlendick bewohnten Erdgeschos­s und erstes Stockwerk, mit großzügige­r Terrasse, Garten und reichlich Platz.

„200 Quadratmet­er für zwei Menschen fanden wir aber dann doch irgendwann zu üppig“, meint das Paar. Und traf den Entschluss, die Wohnungen mit dem Sohn zu tauschen. Ihre Freunde hielten sie für verrückt, ins Dachgescho­ss zu ziehen „und das in eurem Alter“. Aber das Rentnerpaa­r ließ solche Argumente nicht gelten. Denn Treppenste­igen hält fit und ist zumindest für Monika Möhlendick eh nicht der Rede wert. Denn bevor sie zum

ersten Mal am Tag die 60 Stufen zu ihrer Wohnung hochsteigt, ist sie bereits zwei Stunden durch den Rather Wald gewalkt.

Nach den Plänen des Innenarchi­tekten Bernd Schüller hat sich diese Maisonette unterm Dach noch einmal in eine pass-genaue Wohnung für das Paar verwandelt. Der große Wohnraum mit offener Küche bekommt eine kräftige Prise Gemütlichk­eit durch eine alte Ziegelwand, Begrenzung zum Nachbarhau­s, die per Hand von Monika Möhlendick gereinigt wurde. Ihre spezielle Vorliebe für Naturmater­ialien spiegelt dieser Raum: Fundhölzer aus Kanada

(„selbst gesammelt“) fügen sich zu einem lebendigen Kranz. Zwei aufrechtst­ehende, alte Bahnschwel­len aus dem Schwarzwal­d erinnern an Industrieg­eschichte, wirken aber eher wie moderne Skulpturen, ein Holzkamin taucht den Raum in behagliche Wärme.

Eine winzige Nische dieser Etage wird gern von den Enkelkinde­rn genutzt, ein intimes Spiel-Eckchen. Ebenso wie eine Art Schlafzelt im oberen Teil der Maisonette. Dort hat sich das Paar außerdem zwei offene, nur von einem Regal getrennte eigene Reiche eingericht­et. Ihr Teil beherbergt das Reisearchi­v,

einen Heimtraine­r und ist penibel aufgeräumt. Seine Seite gibt einem vielseitig interessie­rten Charakter Platz, dem Ordnung eher nebensächl­ich erscheint. Sie lächelt und toleriert die Turbulenze­n nebenan.

Klingt alles nach einer idealen Lösung. Alle zufrieden? Nicht ganz. Denn etwas Entscheide­ndes fehlt dem Paar zum Glück: ein Balkon. „Der könnte ganz klein sein, Platz für zwei Stühle und ein Tischchen würde uns reichen“, meint Monika Möhlendick. Nach den Plänen von Bernd Schüller wäre eine solche Außenfläch­e von gerade mal sechs Quadratmet­ern leicht möglich,

eine Öffnung dort, wo jetzt drei schräge Dachfenste­r Licht in den Wohnraum lassen. Wenn da nicht das Veto der Denkmalbeh­örde wäre. Anträge wurden eingereich­t, Ortsbesich­tigungen vereinbart, „mündliches Wohlwollen signalisie­rt“, so Dirk Möhlendick, doch dann folgte jedes Mal: die Ablehnung. Die Korrespond­enz füllt mittlerwei­le einen Aktenordne­r – und frustriert das Paar. Also aufgeben? „Noch nicht.“Und deshalb hat Innenarchi­tekt Schüller wieder neue Pläne gezeichnet und will sie noch vor Weihnachte­n einreichen. Ende offen.

 ?? ?? Von der offenen Galerie kann man hinunter in den gemütlich eingericht­eten Wohnraum von Familie Möhlendick und auf den Esstisch blicken.
Von der offenen Galerie kann man hinunter in den gemütlich eingericht­eten Wohnraum von Familie Möhlendick und auf den Esstisch blicken.
 ?? ?? Das Reich von Monika Möhlendick mit ihren Käthe-Kruse-Puppen ist stets aufgeräumt.
Das Reich von Monika Möhlendick mit ihren Käthe-Kruse-Puppen ist stets aufgeräumt.
 ?? ?? Zelt-Feeling: Der Schlafplat­z für die Enkelkinde­r wurde unter dem Spitzdach eingericht­et.
Zelt-Feeling: Der Schlafplat­z für die Enkelkinde­r wurde unter dem Spitzdach eingericht­et.
 ?? ?? Der Lieblingsp­latz von Monika und Dirk Möhlendick ist vor dem Kamin.
Der Lieblingsp­latz von Monika und Dirk Möhlendick ist vor dem Kamin.

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