Drei Generationen unter einem Dach
Nach einem Wohnungstausch hat jede Familie den Platz, den sie braucht. Nur eine Kleinigkeit fehlt zum Wohnglück.
RATH Leben unter einem Dach, aber trotzdem in getrennten Wohnungen – mit größtmöglicher Nähe und selbstverständlicher Distanz: Viele Familien wünschen sich ein Mehrgenerationenhaus für mehr Gemeinsamkeit. Monika und Dirk Möhlendick haben ihren Traum realisiert, wohnen mit Kindern, Enkeln und Patentochter in einem Haus, haben schließlich die Wohnungen getauscht, damit die größte Familie den meisten Platz hat. Könnte alles so schön sein, wenn da nicht ein dicker Wermutstropfen wäre, der das Wohnglück beeinträchtigt.
Schon 44 Jahre leben Monika und Dirk Möhlendick in diesem Haus aus der Gründerzeit in Rath mit seiner weißen Fassade und dem schönen Fachwerkgiebel. Die ersten Jahre zur Miete, dann sollte das Haus Anfang der 1980er-Jahre von der Städtischen Wohnungsgesellschaft für 360.000 D-Mark verkauft werden, der einstige Besitzer hatte es der Stadt vererbt mit der Auflage, sein Grab zu pflegen. Familie Möhlendick bekam gemeinsam mit einem Nachbarn den Zuschlag, heute gehört es ihr allein. Vier Geschosse mit viel Platz, auch für die wachsende Familie (das Paar hat drei Kinder und sechs Enkelkinder) und für die alten Eltern von Monika Möhlendick: „Eine ideale Situation“.
Sie haben dann im Laufe der Jahre immer wieder renoviert, behutsam verschönert, haben die Fassade in einer Farbe streichen lassen, die den Auflagen des Denkmalschutzes genügte, den Fachwerkgiebel imprägniert und die alte Heizungsanlage ausgetauscht. „Was halt so fällig wird bei einem alten Haus“, sagt Dirk Möhlendick. Irgendwann starben die alten Eltern, die Tochter zog nach Freiburg. 2010 ließ der älteste Sohn für sich und seine Familie mit drei Kindern den ehemaligen Speicher ausbauen mit einer offenen Galerie und 95 Quadratmetern Wohnfläche. Und Monika und Dirk Möhlendick bewohnten Erdgeschoss und erstes Stockwerk, mit großzügiger Terrasse, Garten und reichlich Platz.
„200 Quadratmeter für zwei Menschen fanden wir aber dann doch irgendwann zu üppig“, meint das Paar. Und traf den Entschluss, die Wohnungen mit dem Sohn zu tauschen. Ihre Freunde hielten sie für verrückt, ins Dachgeschoss zu ziehen „und das in eurem Alter“. Aber das Rentnerpaar ließ solche Argumente nicht gelten. Denn Treppensteigen hält fit und ist zumindest für Monika Möhlendick eh nicht der Rede wert. Denn bevor sie zum
ersten Mal am Tag die 60 Stufen zu ihrer Wohnung hochsteigt, ist sie bereits zwei Stunden durch den Rather Wald gewalkt.
Nach den Plänen des Innenarchitekten Bernd Schüller hat sich diese Maisonette unterm Dach noch einmal in eine pass-genaue Wohnung für das Paar verwandelt. Der große Wohnraum mit offener Küche bekommt eine kräftige Prise Gemütlichkeit durch eine alte Ziegelwand, Begrenzung zum Nachbarhaus, die per Hand von Monika Möhlendick gereinigt wurde. Ihre spezielle Vorliebe für Naturmaterialien spiegelt dieser Raum: Fundhölzer aus Kanada
(„selbst gesammelt“) fügen sich zu einem lebendigen Kranz. Zwei aufrechtstehende, alte Bahnschwellen aus dem Schwarzwald erinnern an Industriegeschichte, wirken aber eher wie moderne Skulpturen, ein Holzkamin taucht den Raum in behagliche Wärme.
Eine winzige Nische dieser Etage wird gern von den Enkelkindern genutzt, ein intimes Spiel-Eckchen. Ebenso wie eine Art Schlafzelt im oberen Teil der Maisonette. Dort hat sich das Paar außerdem zwei offene, nur von einem Regal getrennte eigene Reiche eingerichtet. Ihr Teil beherbergt das Reisearchiv,
einen Heimtrainer und ist penibel aufgeräumt. Seine Seite gibt einem vielseitig interessierten Charakter Platz, dem Ordnung eher nebensächlich erscheint. Sie lächelt und toleriert die Turbulenzen nebenan.
Klingt alles nach einer idealen Lösung. Alle zufrieden? Nicht ganz. Denn etwas Entscheidendes fehlt dem Paar zum Glück: ein Balkon. „Der könnte ganz klein sein, Platz für zwei Stühle und ein Tischchen würde uns reichen“, meint Monika Möhlendick. Nach den Plänen von Bernd Schüller wäre eine solche Außenfläche von gerade mal sechs Quadratmetern leicht möglich,
eine Öffnung dort, wo jetzt drei schräge Dachfenster Licht in den Wohnraum lassen. Wenn da nicht das Veto der Denkmalbehörde wäre. Anträge wurden eingereicht, Ortsbesichtigungen vereinbart, „mündliches Wohlwollen signalisiert“, so Dirk Möhlendick, doch dann folgte jedes Mal: die Ablehnung. Die Korrespondenz füllt mittlerweile einen Aktenordner – und frustriert das Paar. Also aufgeben? „Noch nicht.“Und deshalb hat Innenarchitekt Schüller wieder neue Pläne gezeichnet und will sie noch vor Weihnachten einreichen. Ende offen.