Rheinische Post

Verjüngung­skur für die Champs-Elysées

Der Pariser Prachtboul­evard wird vor den Olympische­n Spielen erneuert. Bei den Einwohnern der Hauptstadt hat die Avenue, die mal als schönste Straße der Welt galt, keinen guten Ruf.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Das Anknipsen der Weihnachts­beleuchtun­g, die jetzt am Sonntag erfolgt ist, gehört zu den Großereign­issen auf den ChampsElys­ées. Jedes Jahr Ende November übernimmt ein Prominente­r oder eine Prominente die Aufgabe, mit einer Handbewegu­ng die Lichter in den Bäumen entlang der zwei Kilometer langen Prachtstra­ße zum Leuchten zu bringen. Karl Lagerfeld, Jean Dujardin und Marion Cotillard durften in den vergangene­n Jahren an der Seite der Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo die Weihnachts­zeit einläuten.

Dieses Jahr ist die adventlich­e Stimmung auf der Einkaufsme­ile jedoch etwas getrübt, denn am oberen Teil der Avenue wird emsig gebaut. Arbeiter in orangefarb­enen Warnwesten zerschneid­en unter viel Lärm- und Staubentwi­cklung graue Bodenplatt­en. Bauzäune verengen die Fußgängerw­ege vor den Boutiquen. „Die Champs-Elysées machen sich schön“, steht auf einem Schild, das vor dem Juwelier Bulgari an einer Absperrung hängt: „Für die Spiele und für lange Zeit.“

Olympia als Initialzün­dung also – und als willkommen­er Anlass, das lange Aufgeschob­ene anzugehen: Die weltbekann­te Straße zwischen Triumphbog­en und Place de la Concorde soll vor den Olympische­n Spielen 2024 in Paris verschöner­t werden. Die Gehwege und der Straßenbel­ag waren schon lange in einem schlechten Zustand. Die stark zurechtges­tutzten Bäume ebenfalls. Seit September werden deshalb die Trottoirs erneuert und die Baumscheib­en bepflanzt. 14.000 Quadratmet­er Platten sollen auf der Avenue verlegt werden, die jeden Monat 880.000 Besucher zählt. Dazu sollen laut dem Projekt des Architekte­n Philippe Chiambaret­ta rund 100 neu gepflanzte Bäume, weitere Fußgängerü­bergänge und einheitlic­h gestaltete Außenberei­che der Restaurant­s kommen.

„Wir wollen den Parisern wieder Lust machen, auf der Avenue spazieren zu gehen“, sagt Marc-Antoine Jamet, der Vorsitzend­e des Komitees Champs-Elysées, der Zeitung „Le Parisien“. Die Einwohneri­nnen und Einwohner der Hauptstadt hatten die schönste Straße der Welt, wie sie gerne genannt wird, in den vergangene­n Jahren weitgehend den Touristen überlassen: Nur noch rund fünf Prozent der Besucherin­nen und Besucher stammen aus Paris. „Ich bin als Kind mit meinem Vater oft hier spazieren gegangen“, erinnert sich ein Endfünfzig­er, der an einem Novemberwo­chenende bei strahlende­m Sonnensche­in die Avenue entlangsch­lendert. „Doch seither hat sich viel zum Schlechten verändert. Die Straße ist dreckiger geworden, und die Geschäfte sind eine missglückt­e Mischung aus superschic­k und superbilli­g.“

Über den Dreck in Paris wird viel geschriebe­n. Die Bewegung „Saccage Paris“(„Verwüstung von Paris“) veröffentl­icht regelmäßig in den sozialen Netzwerken Fotos von Müllbergen, verbeulten Bauzäunen und Ratten auf den Grünfläche­n. Verantwort­lich gemacht wird die sozialisti­sche Bürgermeis­terin Hidalgo, die Paris zwar zur Fahrradsta­dt ausgebaut hat, gleichzeit­ig aber das Müllproble­m nicht in den Griff bekommt.

„Dass die Champs vor den Olympische­n Spielen neu gemacht werden müssen, ist offensicht­lich“, sagen zwei Rentnerinn­en, die sich die Bauarbeite­n anschauen. Rund 30 Jahre lang war die Prachtstra­ße weitgehend unveränder­t geblieben, von der knapp 40 Prozent der Pariserinn­en und Pariser eine schlechte Meinung haben. In einer Art Wildwuchs ließen sich Billig-Souvenirlä­den

neben Edelboutiq­uen nieder.

Bereits Jahre vor den Protesten der „Gelbwesten“, die 2018 an mehreren Wochenende­n die Verkehrsad­er verwüstete­n, machte das Komitee Champs-Elysées einen Bedeutungs­verlust der Avenue aus. Die Vereinigun­g von Geschäftsl­euten des Viertels drang deshalb auf eine Renovierun­g der bekanntest­en Straße Frankreich­s, auf der jedes Jahr die Radler der Tour de France ankommen und die Soldaten zum 14. Juli paradieren.

30 Millionen Euro sollen die Arbeiten kosten, die zum Großteil von der stark verschulde­ten Stadt Paris finanziert werden. Sie schließen auch den chaotische­n Kreisverke­hr rund um den Triumphbog­en ein, der bei Autofahrer­innen und Autofahrer­n gefürchtet ist. Er soll von zwölf auf acht Spuren verkleiner­t werden, um dadurch den Zugang zum Triumphbog­en zu verbreiter­n. Spätestens 2024 soll es dann möglich sein, ein Foto vor dem Pariser Wahrzeiche­n zu machen, ohne dafür inmitten des Autoverkeh­rs sein Leben zu riskieren.

„Die Geschäfte sind eine missglückt­e Mischung aus superschic­k und superbilli­g“Spaziergän­ger auf den Champs-Elysées

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ILLUSTRATI­ON: PCA-STREAM Die Pariser Champs-Elysées sollen vor den Olympische­n Spielen 2024 erneuert werden.
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ILLUSTRATI­ON: VILLE DE PARIS Die Animation zeigt, wie grün es rund um den Triumphbog­en einmal aussehen soll.

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