Rheinische Post

Simply Red begeistern mit ewig jungen Klassikern

Die britische Band um Sänger Mick Hucknall lässt beim Auftritt in Köln aktuelle Lieder links liegen und setzt auf Nostalgie.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

KÖLN Dieses Konzert versprühte pure Nostalgie: Simply Red boten in der ausverkauf­ten Arena in Köln vor rund 16.000 Fans einen Gegenpol zu anderen lang gedienten Künstlern wie Bob Dylan, der auf der aktuellen Tour sein neues Album fast komplett spielt. Simply Red hingegen ignorieren ihr aktuelles Material. Obwohl die Tour „Blue Eyed Soul“heißt, finden Stücke des gleichnami­gen Albums von 2019 beim Auftritt keinen Platz. Der Titel ist eher als generelles Motto der britischen Band um Sänger Mick Hucknall zu verstehen, deren Musiker sich in der schwarzen Soultradit­ion verorten, aber überwiegen­d weiß sind. Ob Mick Hucknall allerdings blaue Augen hat, wird in Köln nicht klar – er trägt permanent Sonnenbril­le.

Aber es kommt bei Mick Hucknall, der einzigen Konstante in der 1984 gegründete­n Band, ja auch nicht auf die Augen an. Selbst sein Rotschopf, der zum Namen der Gruppe geführt hat, tritt in den Hintergrun­d, wenn er die ersten Zeilen singt. „You’ve Got It“heißt der Eröffnungs­song vom Album „A New Flame“aus dem Jahr 1989 – und der Klang der Stimme des Sängers gleicht hier Zartbitter­schokolade: Sie hat diesen Schmelz, aber auch etwas Dunkel-Bitteres, Kerniges; eine unbändige Kraft, die aber am schönsten klingt, wenn sie gezähmt wird. Das ist wohl wirklich die ideale Soulstimme.

Am stärksten sind Simply Red bei den Balladen wie der letzten Zugabe „If You Don’t Know Me By Now“oder „Holding Back The Years“(beides übrigens Cover-Versionen). Da kann diese wunderbare Stimme sich in aller Ruhe ausbreiten, wird nicht von harten Bläsern geschnitte­n oder Gitarrenso­li unterbroch­en.

Trotzdem liebt das Publikum auch schnelle Nummern wie „Stars“, „Something Got Me Started“oder „Fairground“, bei dem schließlic­h alle von ihren Sitzen aufstehen, tanzen und an früher denken, die unbeschwer­ten 1980er- und 90er-Jahre.

Für das Nostalgie-Gefühl laufen über die Video-Wände Filme und Fotos in Analog-Optik. Bei „Holding Back The Years“entfalten sich Erinnerung­en an Großzeiten der Band: alte Konzertick­ets, gerahmt von einem Kodak-Schriftzug, wie er an den analogen Fotofilmen zu finden ist. Vergessen ist die kurze Phase zwischen 2010 und 2014, als Mick Hucknall die Band aufgelöst hatte und nur noch solo spielen wollte. An diesem Abend wirkt es, als wären Simply Red immer da gewesen. Und mit Mitglieder­n wie dem Gitarriste­n Kenji Suzuki oder Bassist Steve Lewinson, die schon seit mehr als 20 Jahren dabei sind, wirkt sie auch wirklich wie eine zusammenge­wachsene Band und nicht nur wie die Begleitung eines außergewöh­nlichen Sängers.

Nur einmal bricht am Abend etwas die Idylle aus größtentei­ls schwelgeri­schen Liebeslied­ern: Bei „Come To My Aid“beschwört Mick Hucknall die Kraft der Gemeinscha­ft, und dabei laufen Bilder der Klimazerst­örung über die Leinwände. Ein ungewohnt politische­s Statement in der Seligkeit der Nostalgie an diesem Abend.

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FOTO: DPA Sänger Mick Hucknall, hier bei einem Konzert in Oberhausen, ist die einzige Konstante bei Simply Red.

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