Große Ausstellungen für große Künstlerinnen
Die Kunstsammlung zeigt im kommenden Jahr Werke von Jenny Holzer und Etel Adnan. Weitere bemerkenswerte Schauen folgen.
DÜSSELDORF Es trägt zur Lebensqualität einer Stadt bei, wenn es künftige Ereignisse gibt, auf die man sich schon mal freuen kann. In der Kunstsammlung NordrheinWestfalen haben sie deshalb soeben das Programm für das kommende Jahr veröffentlicht, und gleich der erste Name gibt Anlass zur Vorfreude. Die vor einem Jahr gestorbene Künstlerin und Schriftstellerin Etel Adnan wird mit einer Ausstellung geehrt, die von April bis Juli 2023 im K20 am Grabbeplatz zu sehen sein wird.
Die libanesisch-amerikanische Malerin spielt für Susanne Gaensheimer eine zentrale Rolle. „Als ich an die Kunstsammlung kam, war eines meiner ersten Ziele, die Sammlung der klassischen Moderne und der Nachkriegsmoderne, die sehr westlich angelegt war, vielstimmiger zu gestalten“, sagt die Direktorin der Kunstsammlung NordrheinWestfalen. „Man muss wissen, dass im gesamten Zeitraum von 1905 und 1967 lediglich zwei Künstlerinnen vertreten waren. Deswegen wollte ich gezielt Erwerbungen von Künstlerinnen machen, auch von solchen, die nicht aus dem westlichen Kontext kommen und die Perspektive der Sammlung sinnvoll erweitern.“Eine ihrer ersten Ankäufe war eine Gruppe aus drei kleinformatigen Gemälden Adnans aus den 1960er-Jahren. Sie wurden in Düsseldorf in Kombination mit Arbeiten des französischen Malers Henri Matisse gezeigt.
Inzwischen erwarb Susanne Gaensheimer ein weiteres frühes Werk von Adnan. „Ich habe das Bild in der Ausstellung ‚Women in Abstraction‘ im Centre Pompidou gesehen. Es stach stark hervor. Ich habe direkt auf das Schild geschaut und sah ‚Courtesy the Artist‘. Da lebte Etel Adnan noch, und wir haben sofort Kontakt zu ihrer Galerie aufgenommen. Eigentlich wollte sie es nicht verkaufen, aber dann hat sie gesehen, dass wir schon drei Werke erworben hatten und die Ausstellungen planen, also ein ernsthaftes Interesse an ihrem Werk haben. Da hat sie es uns verkauft.“Es ist nun wie die anderen Stücke aus Düsseldorf in München zu sehen, der ersten Station der AdnanSchau. Denn auch das ist neu: Künftig wird die Kunstsammlung NRW nicht mehr nur mit internationalen Partnern Projekte vorbereiten. Transportwege sollen vermieden und die Belastungen für das Klima reduziert werden.
Die andere große Schau im K20 wird Chaim Soutine gewidmet sein, sie beginnt im September. Der in einem belarussischen Schtetl in der Nähe von Minsk geborene und 1943 in Paris gestorbene Künstler malte wankende Landschaften und geschlachtete Tiere, Pagen, Köche und Messdiener. Außerdem Menschen, die sich wie er selbst auf der untersten Stufe der Gesellschaft wähnten. Soutine ist eine der großen Außenseiterfiguren in der Malerei des 20. Jahrhunderts. Soutine sei eine hochinteressante Figur, sagt Susanne Gaensheimer. Er sei befreundet gewesen mit Modigliani und habe sich mit ihm ein Atelier geteilt. Erst am Ende seines Lebens sei er zu Ruhm und Reichtum gekommen. Er konnte diesen Zuspruch jedoch nicht auskosten, seine Gesundheit war ruiniert.
„Uns interessiert diese Existenz am gesellschaftlichen Rand. Die Existenz im Exil. Die Grenzerfahrung, die er in seiner Malerei zum Ausdruck bringt. Die existenzielle
Erfahrung, als Außenseiter zu leben. Er war und ist bis heute ein einflussreicher Maler, von dessen expressivem Leben man wenig weiß. Man erfährt darüber nur aus seinen abgründigen und zugleich schönen Werken“, sagt Susanne Gaensheimer.
Im K21 beginnt das Jahr am 11. März mit einer Überblicksausstellung zum Werk der US-Amerikanerin Jenny Holzer. Präsentiert werden Holzers Posterarbeiten, Gemälde und Arbeiten aus Stein. „Jenny Holzer war in den 1980er-Jahren eine der wichtigsten Künstlerinnen“, sagt Gaensheimer. „Dann hatte sie sich eine Weile aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. In den vergangenen Jahren habe ich sie wieder stärker wahrgenommen, ich folge ihr auf Instagram. Sie engagiert sich politisch und hat sich sehr gegen die Wahl von Donald Trump eingesetzt. Auf eigene Kosten hat sie stark dafür geworben, dass die Menschen zur Wahl gehen. In allen möglichen Städten Amerikas hat sie beispielsweise Lastwagen mit großen LED-Flächen herumfahren lassen, auf denen in großen Blockbuchstaben Aufforderungen zu lesen waren, zur Wahl zu gehen. So hat sie versucht, die Leute zu ermutigen“, erläutert die Direktorin der Kunstsammlung. Geplant ist auch, Arbeiten der 72-jährigen Jenny Holzer im Stadtraum zu zeigen.
Zum Jahresende kommen zwei Ausstellungen ins K21, die die meiste Zeit parallel zu erleben sein werden. Ab Mitte September die erste Überblicksschau des 1960 geborenen britischen Künstlers, Filmemachers und Hochschullehrers Isaac Julien. Als „bahnbrechend“bezeichnet Gaensheimer dessen Arbeiten. „Er hat sich schon sehr früh mit postkolonialer Theorie, zum Beispiel den Texten von Frantz Fanon, und Homosexualität beschäftigt. Er ist der einer der ersten schwarzen Künstler, der diese Themen zum Mittelpunkt seiner Arbeit gemacht hat. Und er ist ein großer Filmemacher.“
Die zweite Schau beginnt Ende Oktober und gehört „einer klugen und empathischen Künstlerin“, wie Gaensheimer sagt. Die 1972 in Stuttgart geborene Andrea Büttner verbindet Kunstgeschichte mit sozialen und ethischen Fragen. Die Wahl-Berlinerin hat ein Buch über Scham geschrieben und einen Film über Manufactum gedreht. Im K21 möchte Büttner die verschiedenen Stränge ihrer aktuellen Forschungsund Arbeitsfelder zusammenführen. Es werde um Scham, Arbeit und Macht gehen.