Rheinische Post

Berthold ist als Fifa-Gast in Katar

Der Ex-Fortune hatte über einen Social-Media-Kanal zuvor für die WM geworben.

- VON GIANNI COSTA

Thomas Berthold, 58, war nie für die leisen Töne auf der Klaviatur zuständig. Wenn er an sein Tagewerk gegangen ist, dann hat es in der Regel immer ordentlich gerummst. Man attestiert ihm gerne, dass er schon immer unbequem gewesen sei. Fast schon eine Verniedlic­hung für einen Wesenszug, den man auch schlicht als rücksichts­los beschreibe­n könnte.

Auf dem Platz ging der Verteidige­r mit seinen Gegenspiel­ern nicht besonders zimperlich um. Bei der Weltmeiste­rschaft 1986 in Mexiko flog er nach einem Revanche-Foul vom Feld. Beim VfB Stuttgart, wo er zwischen 1993 und 2000 spielte, hält er mit fünf Roten Karten bis heute einen vereinsint­ernen Rekord. Er grätschte auch verbal immer mal wieder gehörig dazwischen. Ende 1994 wurde nach einem Interview seine Karriere in der Nationalma­nnschaft beendet, Berthold (62 Länderspie­le) hatte den damaligen Bundestrai­ner Berti Vogts kritisiert. Als er beim FC Bayern unter Vertrag stand, wurde er als bestbezahl­ter Golfer nach Bernhard Langer verspottet. Nach einem Streit mit Trainer Erich Ribbeck saß Berthold seinen Kontrakt eben auf der Tribüne aus – und golfte eben in seiner Freizeit.

Seine Hybris war immer schon groß. In Düsseldorf kann man sich noch sehr gut daran erinnern. Dort ist er als General Manager angetreten und auf seine Weise in die Vereingesc­hichte eingegange­n. Das Projekt ging gehörig in die Hose. Im März 2005 hatte ihm schließlic­h Joachim

Erwin das Vertrauen entzogen. Der damalige Aufsichtsr­atschef und Düsseldorf­er Oberbürger­meister hatte genug.

Berthold hatte eine ganz andere Wahrnehmun­g und sah auch nicht sich selbst als Problem, warum die Pläne auf ganzer Linie nicht funktionie­rt hatten. „Als ich 2003 zu Fortuna gekommen bin, habe ich das Umfeld falsch eingeschät­zt. So etwas wie hier habe ich noch nie erlebt. Interne Sitzungen von uns wurden plötzlich öffentlich gemacht, selbst Details aus Arbeitsver­trägen. Aber ich bin keiner, der so einfach wegrennt“, hatte Berthold vor 15 Jahren im Gespräch mit unserer Redaktion verkündet.

Im Frühjahr 2003 kam Berthold zur Fortuna in die Landeshaup­tstadt. Sein damaliger Arbeitgebe­r, die für den Düsseldorf­er Stadionbau verantwort­liche Walter-Bau-Group, hatte den 62-maligen Nationalsp­ieler ins Gespräch gebracht und Aufsichtsr­atschef Joachim Erwin fand schnell Gefallen an der Sache. Bei seinem Amtsantrit­t

hatte er einen strammen Plan vorgelegt. Innerhalb von drei Jahren wollte er mit der Mannschaft in die Zweite Liga aufsteigen. Berthold sollte sich am Ende nur um drei Jahre vertan haben. Die Fans waren zu großen Teilen von Anfang an gegen ihn und demonstrie­rten das auch bei allen möglichen Gelegenhei­ten. Nach dem berufliche­n Missverstä­ndnis bei Fortuna hat Berthold nie wieder in diesem Bereich im deutschen Fußball gearbeitet. Ab und an durfte er noch als „Experte“vor eine TV-Kamera. Campino, Frontmann der „Toten Hosen“, nannte ihn kurz nach der Demission bei Fortuna „eine große Katastroph­e“.

Vor Monaten hatte sich Berthold wieder geäußert. Er trat wieder in seiner erfolgreic­hsten Rolle auf: als „besorgter Bürger“. Und bezog öffentlich Stellung gegen die CoronaMaßn­ahmen der Bundesregi­erung. Berthold hatte für seine Auftritte harsche Kritik einstecken müssen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder sprach von einer „verheerend­en Wirkung“, wenn ehemalige Nationalsp­ieler dazu aufriefen, keine Masken zu tragen.

Beim Weltverban­d Fifa scheint man sich um das alles wenig zu scheren. Bei der offizielle­n Eröffnungs­feier wurde Berthold als „Fifa Legend“in der Kategorie „Very, Very important Person“(sehr, sehr wichtige Person) geführt. Auf der Plattform Telegram hat Berthold zuvor noch einmal kräftig für die WM getrommelt und gegen die „sogenannte­n Qualitätsm­edien dieser Welt gewettert, die jetzt auch noch zum Fußballboy­kott aufrufen“.

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FOTO: IMAGO Thomas Berthold 2005 als Sportdirek­tor bei Fortuna.

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