Stress in der Wüstenmission
Die Bundeswehr will bis Mai 2024 den gefährlichen Auslandseinsatz in Mali beenden.
Gehen oder bleiben? Diese Frage stellen sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) schon länger. Der Mali-Einsatz gilt als die derzeit gefährlichste Mission der Bundeswehr. Nun haben beide Ministerinnen die Antwort. Nach Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) wird am Dienstagnachmittag klar: Die Bundeswehr zieht aus Mali ab.
Dem Parlament werde vorgeschlagen, das Mandat im Mai 2023 „letztmalig um ein Jahr zu verlängern, um diesen Einsatz nach zehn Jahren strukturiert auslaufen zu lassen“, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag mit. Damit solle insbesondere den Wahlen in Mali – geplant für Februar 2024 – Rechnung getragen werden.
Die deutschen Streitkräfte gehen also nicht sofort. Lambrecht kündigte an, die Bundeswehr wolle Mali „sehr geordnet verlassen“und den politischen Übergangsprozess noch unterstützen. Bei einer Diskussionsrunde der Bundesakademie für Sicherheitspolitik sagte sie am Dienstagabend: „Das bedeutet Sicherheit für die Soldatinnen und Soldaten, die wissen, was auf sie zukommt.“Mit dem Abzug soll ab Sommer 2023 begonnen werden. Das ist zugleich ein Kompromiss zwischen Baerbock und Lambrecht, die jeweils unterschiedliche Vorstellungen über die Restlaufzeit hatten.
Als ob es für die fragile Lage und Willkür in dem westafrikanischen Land noch einen nächsten Beleg gebraucht hätte, war am Sonntag auch noch ein deutscher Priester entführt worden. Nicht einmal der Gottesmann, der seit 30 Jahren in Mali lebt und dort am Institut für christlich-islamische Bildung unterrichtet, ist sicher. Seit 2013 ist die Bundeswehr in Mali im Einsatz. Damals war Deutschland seinem Verbündeten und EU-Partner Frankreich beigesprungen. Der damalige Präsident François Hollande hatte eigene Truppen in das Land geschickt, nachdem Dschihadisten und militante Touareg die Kontrolle über den Norden des Flächenstaates übernommen hatten. Frankreich wollte einen Vormarsch der Aufständischen auf die Hauptstadt Bamako verhindern.
Gut neun Jahre danach hat sich die Lage mehrfach dramatisch verändert. So hat die Europäische Union in diesem Frühjahr ihre Trainingsmission EUTM zur Ausbildung malischer Soldaten faktisch beendet. Es war eine Reaktion darauf, dass die Militärjunta in Mali, die sich 2021 an die Macht geputscht hatte, russische Söldner ins Land geholt hatte, die wiederum für Sicherheit und Stabilität in Mali sorgen sollten. Die Vorstellung, die EU würde malisches
Militär ausbilden, das anschließend wiederum an der Seite russischer Söldner kämpft und Menschenrechtsverletzungen an der eigenen Bevölkerung begeht, war mit dem Ziel der EU-Mission nicht mehr zu vereinbaren. Zudem verschleppt die Militärregierung in Bamako immer wieder fällige Wahlen in dem Krisenland, die sie zwar ankündigt, dann aber immer wieder verschiebt.
Das aktuelle Mandat der Bundeswehr läuft bis zum 31. Mai 2023. Der Bundestag erhöhte dazu bei der Mandatsverlängerung in diesem Jahr die Obergrenze zuletzt um 300 auf bis zu 1400 Soldatinnen und Soldaten, die Deutschland als Teil der UN-Stabilisierungsmission Minusma aufbieten kann. Am Ende steht als Kompromiss: Abzug bis Mai 2024.
Die Verteidigungsministerin sorgt sich vor allem um die Sicherheit ihrer Soldatinnen und Soldaten. Jetzt ringt die Ampel-Regierung mit sich selbst über die Zukunft dieses inzwischen umstrittenen Einsatzes. „Wir möchten dort, im Sahel, in Mali bleiben“, hatte Außenministerin Baerbock noch im August gesagt. Die Grünen-Politikerin dringt weiter auf Wahlen und will den Weg des Landes hin zu einer Demokratie unterstützen.
Lambrecht sagte zuletzt in einem Interview mit unserer Redaktion: „Die Ausbildungsmission der Europäischen Union liegt schon auf Eis. Bei der UN-Mission Minusma ist unsere Aufgabe die Aufklärung“, die nahezu unmöglich werde. Die Bundesregierung wolle die SahelZone aber nicht sich selbst überlassen und prüfe, wie sie die Region durch ein verstärktes Engagement etwa im Nachbarland Niger weiter unterstützen könne.