Der Herr der fünf Meere
Im Haus von Jack Elliot in Langenfeld leben Hunderte Fische. Der Mann hat nicht nur ein außergewöhnliches Hobby, sondern auch einen besonderen Job: Er tritt als Double von Johnny Depp auf.
Der Pazifik ist ganz nah. Die Treppe runter und dann rechts. Dort ist das Wohnzimmer von Jack Elliot mit einem Aquarium, das so groß ist wie ein kleiner Pool. Hier schwimmen AchillesDoktorfische, Klippfische und viele weitere bunte Arten. Mit seinen großen Glupschaugen wirkt der einzige Kugelfisch im Becken wie der Capo, der nach dem Rechten sieht. Dreieinhalb Meter breit, fast eineinhalb Meter hoch und viereinhalb Meter tief ist das Aquarium – ein wahr gewordener Traum für Elliot, der schon als Siebenjähriger viel lieber einen Goldfisch wollte als ein Meerschweinchen. Etwa 70 Fische tummeln sich im riesigen Becken, sie teilen sich 24.000 Liter Wasser. „So haben sie keinen Stress“, sagt Elliot.
Elliot ist 53 Jahre alt und seit 22 Jahren in Langenfeld zu Hause. Vorher lebte er viele Jahre in den USA, arbeitete als Golflehrer, organisierte aber auch Golfreisen. In seinem Haus ist das Pazifikbecken nicht das einzige Aquarium. Im Erdgeschoss sind der Zentralpazifik, der Ostpazifik und ein Korallenbecken. Oben im Schlafzimmer schwimmt unter anderem ein niedlicher Clownfisch in einem Aquarium, das an die Unterwasserwelt in Australien erinnert. Im ganzen Haus brummen die Pumpen. Die echten Korallen brauchen wöchentlich frisches Osmose-Wasser. „Ohne Nitrat und Phosphat“, sagt Elliot. „Den Fischen ist das mehr oder weniger egal, aber die Korallen sind extrem empfindlich.“Allein für das Riesenbecken im Wohnzimmer brauchte es zwei Jahre für Planung und Aufbau. Die Scheiben haben je fast eine Tonne Gewicht. Es brauchte zehn Männer, um sie einzeln ins Haus zu tragen. Ein anderes Aquarium wurde als Ganzes mit einem Kran gebracht.
Für Elliot sind seine Aquarien die besten Stresskiller: „Ich schaue mir die Fische an und stelle mir vor, ich schnorchele vor Hawaii – so könnte es dort aussehen“, sagt er. Um die hohen Energiekosten ein wenig aufzufangen, hat Elliot sich eine Solaranlage aufs Dach gesetzt und Wärmepumpen gekauft. Wie viel er jeden Monat für seine fünf kleinen Weltmeere ausgibt, möchte er nicht sagen. „Passt schon“, sagt er. „Durch die Wärmepumpen wird es jetzt weniger.“
Elliot hat nicht nur ein außergewöhnliches Hobby, sondern auch einen besonderen Job: Er arbeitet als Doppelgänger von Johnny Depp. „Das fing mit dem ersten Fluch-der-Karibik-Film an“, sagt er. Zu Karneval verkleidete er sich damals als Jack Sparrow, Captain der „Black Pearl“, Piratenfürst der Karibik – und nie nüchtern. „Das kam gut an“, sagt er. „Und jemand machte mich darauf aufmerksam, dass ich Johnny Depp ziemlich ähnlich sehe.“Daraus könne man doch was machen, meinte der Freund damals, Anfang der 2000er-Jahre.
Doch Elliot wusste erst einmal nicht, ob er das kann – vor Menschen auftreten, im Mittelpunkt stehen, in Deutschland herumreisen. Also machte er einen Testlauf. Er fuhr zur Berlinale in die Hauptstadt, als Johnny Depp gestylt, und inszenierte einen Auftritt am Brandenburger Tor – mit Limousine, zwei Bodyguards und einer Assistentin, die um ihn herumwirbelte. „Da waren auf einmal 1000 Leute oder mehr um uns rum“, erzählt er. Das Video vom Starauftritt schickte er an eine Agentur. Seitdem ist er im Geschäft als Double des US-Schauspielers und Musikers.
Elliot tritt auf Messen auf, bei Firmenevents oder in der Werbung. „Ich werde oft zusammen mit der Angelina-Jolie-Doppelgängerin und dem Tom-Cruise-Double gebucht“, sagt er. Sie gehören alle zur sogenannten Hollywood-Riege. Neulich hatte Elliot noch einen Termin mit der Doppelgängerin der Queen. „Das ist jetzt vorbei – wenn Royals tot sind, werden die Doubles nie mehr gebucht.“So ergeht es auch Putin-Doppelgängern. „Keine Chance mehr“, sagt Elliot.
Er selbst hatte Glück. Johnny Depp und seine Ex-Frau Amber Heard lieferten sich vor Gericht zwar eine öffentliche Schlammschlacht, in der beide nicht gut wegkamen. Es ging um Vorwürfe von häuslicher Gewalt und Verleumdung. Der Prozess zeigte vor allem die ungesunde Beziehung zweier Hollywoodstars. Die Jury gab letztlich aber größtenteils Depp recht. Wegen Verleumdung musste Heard ihm mehr als zehn Millionen US-Dollar Schadenersatz zahlen. Aus Sicht des Gerichts hatte sie Depp zu Unrecht häusliche Gewalt vorgeworfen. „Wenn der jetzt als Frauenschläger aus dem Prozess rausgegangen wäre, würde ich wahrscheinlich auch schlechter dastehen.“
Elliot nimmt regelmäßig Schauspielunterricht. Wenn er Johnny Depp mimt, tritt er entweder als dauerbetrunkener Pirat mit langen Dreadlocks und Dreispitz-Hut auf oder als Johnny Depp, wie er privat aussieht. „Wenn er in einer Talkshow ist, ist er ja eher zurückhaltend, leicht verlegen, manchmal wirkt er auch dann ein bisschen betrunken“, sagt Elliot. Weil Depp viel raucht, muss er seine Stimmer immer ein bisschen tiefer machen, wenn er ihn spielt. „Wer mich anspricht, will dann aber auch gar nicht, dass ich Englisch spreche – die meisten Leute wollen wissen, wer hinter der Maske steckt“, sagt er.
Elliot ist Veganer. Für einen Fernsehspot sollte er einmal eine lebende Heuschrecke überfahren. „Das habe ich abgelehnt“, sagt er. In Konflikt kommt er immer, wenn er seine Tiere mit Fleisch füttern muss. Elliot hat auch zwei Huskys. Und der Kugelfisch braucht Krustentiere, damit er seine Zähne abwetzen kann. Manchmal klettert Elliot in sein Wohnzimmer-Aquarium – im Neoprenanzug und mit Taucherbrille, Schnorchel und Putzlappen. Drei-, viermal im Jahr wienert er die Scheiben dann von innen blank. „Aber nur, wenn ich muss“, sagt er. „Es ist sonst zu viel Stress für die Fische.“