Rheinische Post

Hilfe gegen Hass im Netz gefordert

Die Sorge: Frauen und bestimmte Minderheit­en werden aus dem Diskurs verdrängt.

- VON SINA ZEHRFELD

Hass im Netz trifft Frauen in besonderem Maße. Nach Zahlen der Beratungso­rganisatio­n Hate Aid suchen Männer wegen Drohungen, Beleidigun­gen oder Anfeindung­en im Internet zwar fast so häufig Hilfe wie Frauen. Die besonders üblen Vorkommnis­se jedoch, die auch häufiger vor Gericht landen, beträfen zu fast drei Vierteln Frauen. So bestätige die Praxis, was auch Studien zeigten: „Dass nämlich digitale Gewalt gegen Frauen besonders drastisch ist, besonders gewaltvoll, sexualisie­rt“, sagte Josephine Ballon, Juristin bei Hate Aid, am Dienstag auf Einladung der SPD-Landtagsfr­aktion vor Journalist­en. Zugleich seien jüngere Menschen gefährdete­r als ältere. Und das Spektrum der Themen, die Hass hervorrufe­n, werde immer breiter.

Die SPD-Fraktion im Landtag will, dass NRW eine eigene, zentrale Anlaufstel­le für Opfer digitaler Übergriffe und Anfeindung­en

schafft. Das schlägt sie in einem Antrag vor. Außerdem sollten Hass und sexualisie­rte Gewalt im digitalen Raum nach Vorstellun­g der SPD fächerüber­greifend in der Schule behandelt werden, und auch in der Polizeiaus­bildung sollte das Themenfeld umfassende­r beleuchtet werden. „Es ist ein Problem, das unsere Debattenku­ltur, unsere Demokratie am Ende bedroht“, so die SPD-Abgeordnet­e Ina Blumenthal. Gesellscha­ftliche Gruppen wie Mädchen und Frauen, aber auch Mitglieder der LGBTQCommu­nity, könnten aus dem Diskurs verdrängt werden. Das NRW-Ministeriu­m für Gleichstel­lung verweist darauf, dass das Land zahlreiche Anlaufstel­len fördert. Dazu gehörten unter anderem 53 Fachberatu­ngsstellen gegen sexualisie­rte Gewalt, die auch zu den unterschie­dlichen Formen von digitaler Gewalt berieten. Zudem sei die Kampagne „Ich zeige das an!“aktuell um das Thema Hate Speech erweitert worden: „Landesweit sollen damit queere Personen, die Hass im Netz erlebt haben, dabei unterstütz­t werden, Anzeige zu erstatten.“

Aus dem Innenminis­terium hieß es, die Polizeiaus­bildung müsse sich gesellscha­ftlichen Veränderun­gen laufend anpassen. Aber Taten wie Nötigungen oder Beschimpfu­ngen im Netz müssten bereits jetzt genau so verfolgt werden wie im analogen Raum: „Die Polizei muss ermitteln. Dazu ist sie gesetzlich verpflicht­et“, erklärte ein Sprecher.

Bei der Verfolgung von Delikten im Internet habe NRW derzeit bundesweit eine Vorreiterr­olle, zum Beispiel durch die zentrale Ansprechst­elle Cybercrime, erklärte Ballon. Mit Blick auf Hasskommen­tare richtet diese Stelle sich jedoch an Medienhäus­er, nicht an persönlich Betroffene. Traditione­lle Beratungss­tellen wiederum seien mit dem digitalen Raum „häufig überforder­t“, so Ballon.

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FOTO: ANDREA HEINSOHN PHOTOGRAPH­Y Rechtsanwä­ltin Josephine Ballon von der Organisati­on Hate Aid.

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