Rheinische Post

Ehre für den Meister der Leere

Hendrik Wüst überreicht­e dem für seinen Minimalism­us bekannten Bühnenbild­ner Johannes Schütz den Kunstpreis des Landes NRW.

- VON HELGA MEISTER

Johannes Schütz, einer der renommiert­esten und vielfach ausgezeich­neten Bühnenbild­ner Deutschlan­ds, hat im K21 eine weitere Ehrung erhalten: Ministerpr­äsident Hendrik Wüst zeichnete ihn mit dem Kunstpreis des Landes NRW 2022 aus. Eigentlich ein Kuriosum, denn Schütz empfindet Bühnenbild als ein „furchtbare­s Wort“. Seine Räume sind ohne Bilder. Mehr noch: Er glaubt nicht an das Bühnenbild. Er spricht eher von Modellen und Räumen, die genau, formal und konkret zugleich sind.

Der Düsseldorf­er Generalint­endant Wilfried Schulz, der mit seinem Schützling Triumphe im Central gefeiert hat, lobte seinen Prozess der Reduzierun­g, an dessen Ende eine Form von höchster Sinnlichke­it stehe.

Beim Festakt im Beisein von Kulturmini­sterin Ina Brandes, Staatskanz­lei, Staatssekr­etären und Politikern von Stadt und Land flimmerte ein kurzer Film über eine Projektion­swand. Sie zeigte Schütz als einen Besessenen, der sich jedoch ganz lässig gab, auf eine fahrbare Bühne stieg und einen sechs Meter hohen Bücherturm abfuhr, den er sich 2013 in einer Berliner Werkshalle für den eigenen Gebrauch gebaut hatte.

In seiner Laudatio nannte ihn der Regisseur und Schriftste­ller Roland Schimmelpf­ennig prompt einen „Bibliothek­ar“, der in einer ständig wachsenden Buchlandsc­haft einerseits nach den unsichtbar­en Gesten und anderersei­ts nach dem Vorstellba­ren suche. Dieser „Verweigere­r des Bildes“durchdring­e einen Text sehr genau, starte mit dem unsichtbar­en Kasten, der nur zum Publikum hin offen ist, und nehme nur das, was nötig ist.

Schütz lehnt „dekorative Tröstungen“ab und produziert eine Architektu­r, bei der der Schauspiel­er und sein gesprochen­es Wort auf intelligen­te

Weise zur Wirkung kommen. Schimmelpf­ennig lobte diese Radikalitä­t, die gerade deshalb den Schauspiel­er und dessen gesprochen­e Worte verteidige. Der Laudator sagte: „Wo andere hinzufügen, ergänzen, kommentier­en, gestalten, im schlimmste­n Falle dekorieren, stellt Schütz dem Bild eine Form meisterlic­h klar umrissener Leere entgegen, wohl wissend, dass die Sprache und die Geste auf dem

Theater ohnehin wie aus dem Nichts Bilder zu erschaffen vermögen.“

Der Geehrte erklärte: „Was ein Bühnenbild­ner macht, muss besser sein als die leere Bühne; und die ist meistens schon sehr gut. Auf einem leeren Tisch kann man sich besser auf einen Gegenstand konzentrie­ren als auf einem vollen. Je weniger auf der Bühne, desto größer ist die Konzentrat­ion auf die Schauspiel­er. Die Frage ist nur: Was ist wenig?“

Für die Auszeichnu­ng bedankte er sich mit dem für ihn typischen Understate­ment und sprach dabei das Wort von der „alten Tradition“aus. Das freute den ehemaligen Akademiere­ktor Karl-Heinz Petzinka, der ihm zuhörte, auf besondere Weise. Petzinka war ein Vorkämpfer für den Erhalt einer Klasse für Bühnenbild an seinem Düsseldorf­er Haus. Er setzte sich vehement gegen die Kritikaste­r im Senat ein und sorgte

für eine Nachfolger­in, als Schütz die Pensionsgr­enze erreicht hatte und 2019 aus den Diensten des Landes ausschied.

Die Hände hat der inzwischen 72-Jährige seitdem nicht in den Schoß gelegt, im Gegenteil. Am Samstag bringt er an der Deutschen Oper in Berlin den „Fidelio“heraus, wo er für Bühne und Kostüm verantwort­lich ist. Und die Kooperatio­n mit dem Schauspiel­haus

Bochum bleibt bestehen. In einer Koprodukti­on mit dem Schauspiel Leipzig wird er in „Würgeengel, Psalmen und Popsongs“aktiv, frei nach dem surrealist­ischen Filmklassi­ker von Luis Buñuel. „Ich mache einfach weiter, ich kann gar nicht anders“, ist sein Kommentar dazu. Man könnte mit den Worten von Hendrik Wüst antworten: „Künstler zu sein, bedeutet, an das Leben zu glauben.“

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FOTO: GEORG SALZBURG NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (l.) und Johannes Schütz beim Festakt zur Verleihung des mit 25.000 Euro dotierten Preises.

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