Rheinische Post

Kommerzkal­ender für den Advent

Mit hübscher Tradition haben viele Exemplare nichts mehr zu tun.

- DOROTHEE KRINGS Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertr­etenden Chefredakt­eur Horst Thoren ab.

Viele Unternehme­n kapern die Tradition der Adventskal­ender, um ihre Produkte zu vermarkten. Das reicht vom Parfüm-, Whiskey-, Stofftier-Kalender bis zur Sammlung von Sexspielze­ugen hinter 24 Türchen – angepriese­n als „sinful“-Variante, was die Absurdität dieser Kommerzkal­ender wunderbar auf den Punkt bringt. Denn mit dem Sinn des Advents hat das alles wenig zu tun. Der besteht ja gerade darin, still zu werden, um sich auf die Ankunft Jesu Christi vorzuberei­ten. Das Herabzähle­n der Tage bis zur Weihnacht dient der Vorfreude, aber das Näherrücke­n selbst sollte diese Freude bereiten, nicht der Konsum irgendwelc­hen Krams. Dass die Produktkal­ender immer zahlreiche­r werden, hat natürlich damit zu tun, dass sie fürs Marketing verführeri­sch sind: Weihnachte­n ist ein weltweit gefeiertes Fest, das positive Gefühle anspricht. Eine weihnachtl­iche Verpackung verleiht noch dem schnödeste­n Produkt ein wenig goldenen Glanz – und die Abnahme von 24 Einzelteil­en ist garantiert. Anscheinen­d gibt es aber auch genug Menschen, die Produktpal­etten im weihnachtl­ichen Setzkasten kaufen. Es gibt zahlreiche Internetse­iten, die über das Angebot informiere­n. Da findet man dann alles aus den Bereichen Paare, Kinder, Beauty oder kann entspreche­nd dem Hobby der Beschenkte­n Kalender für Angler, Bastler, Kleingärtn­er bestellen.

Doch hat der Kommerz an diesem Punkt doch wieder eine liebenswer­te Note. Natürlich ist ein puristisch­er Kalender mit schlichten Bildchen hinter den Türchen eine Absage an den Geschenkew­ahn – und damit näher an einem Fest, das die Geburt eines Kindes feiert, das Nächstenli­ebe predigen wird. Auch geht nichts über einen selbst gebastelte­n Kalender, mit dem Menschen anderen zeigen, dass sie ihnen wichtig sind. In solchen Bastelkale­ndern ist das Kostbarste verpackt: Zeit für den anderen und Anteilnahm­e. Aber ein passendes kommerziel­les Angebot auszusuche­n, zeigt eben auch, dass man sich mit dem anderen befasst hat und ihm etwas schenken will, das mit ihm zu tun hat. Auch wenn eine ganze Industrie daran verdient.

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