Rheinische Post

Treffen der Alphatiere

Friedrich Merz stellt mit Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel ein neues Buch über sich vor.

- VON HAGEN STRAUSS

Es ist ein Tag, den man sich als Politiker vermutlich im Kalender rot anstreicht. Erst fährt man am Mittwoch einen großen Triumph ein, und das als Opposition­sführer. Dann sitzt man am Abend mit einem ehemaligen SPD-Vorsitzend­en bei einer Buchvorste­llung über sich selbst zusammen, der den „Friedrich“überaus lobt, sodass man am Ende gar nicht mehr weiß, wo eigentlich das Trennende zwischen den beiden (gewesen) ist. Friedrich Merz trifft Sigmar Gabriel. Und umgekehrt. Zwei Alphatiere, die aus ihrem Selbstbewu­sstsein keinen Hehl machen.

Merz hat nach der Einigung im Streit um das Bürgergeld der Koalition auch allen Grund dazu. So sieht es seine Fraktion, weil man alle geforderte­n Änderungen durchgeset­zt haben will, so sehen es am Tag danach die meisten Kommentato­ren. Merz sitzt also neben Gabriel und sagt fast gönnerhaft: „Es geht nicht um die Kategorie Sieger und Verlierer.“Das vielleicht nicht, aber es geht um politische­n Erfolg – und den hat Merz eindeutig erzielt.

Er sei überrascht gewesen, ergänzt der Fraktionsc­hef, wie stark die Ablehnung des von der Koalition geplanten Bürgergeld­es in der Bevölkerun­g gewesen sei. Den Umstand wiederum hat die Union geschickt aufgenomme­n. Und es habe ein „hohes Maß der Geschlosse­nheit“gegeben mit den unionsregi­erten Ländern. Inwieweit das vor allem das Verdienst des Partei- und Fraktionsc­hefs ist, sei einmal dahingeste­llt. Aber Merzens Brust ist jetzt noch breiter geworden. Der Titel des Buches, „Der Unbeugsame“, geschriebe­n von den beiden Journalist­en Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart, passt dann auch ganz gut zu diesem Tag.

Das Wort unbeugsam trifft allerdings auch auf Sigmar Gabriel zu, der lange Zeit politisch auf der Siegerseit­e stand, SPD-Chef, Wirtschaft­sund Außenminis­ter sowie Vizekanzle­r unter Kanzlerin Angela Merkel gewesen ist. Inzwischen liegen er und seine Partei öfter über Kreuz, vor allem wegen Gabriels Einwürfen von der Seitenlini­e. Der „Friedrich“sei immer geradlinig gewesen, habe „sich nicht abschleife­n lassen“, lobt Gabriel – und ein wenig redet er da auch über sich selber. Beide kennen sich lange. Gabriel ist inzwischen der Vorsitzend­e der Atlantikbr­ücke zur Pflege der deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n. Das Amt hat er von Merz übernommen. „Gelegentli­ch ist es so, dass man in der anderen Partei schneller Freunde findet als in der eigenen“, sagt der Sozialdemo­krat. So ist es bei den beiden wohl gewesen – viele Freunde hatte Gabriel in der SPD jedenfalls nicht; und in der Zeit, als Merz um die CDU einen großen Bogen gemacht hat, war er quasi bei den meisten in Vergessenh­eit geraten. Er selbst räumt an dem Abend ein, dass sein erster Versuch, 2018 in Hamburg Parteivors­itzender zu werden, eine besondere Herausford­erung gewesen sei, „weil ich die Partei nicht mehr kannte“. Er verlor dann auch gegen Annegret KrampKarre­nbauer.

„Die entscheide­nde Frage wird sein, hat die Partei eine Erzählung für die Zukunft“, beschreibt Merz seine Aufgabe als Vorsitzend­er. In der Sozial- und Klimapolit­ik etwa. Bei Letzterem „liegen wir noch hinter der Kurve“, räumt er ein.

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FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Sigmar Gabriel (l., SPD), Vizekanzle­r und Bundesmini­ster a.D., spricht neben CDU-Chef Friedrich Merz über dessen neues Buch.

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