Rheinische Post

Kein erneutes schottisch­es Referendum

- VON JOCHEN WITTMANN

Es war ein herber Rückschlag für die Unterstütz­er der Unabhängig­keit Schottland­s und die Gegner der Union mit dem Vereinigte­n Königreich. Die schottisch­e Regierungs­chefin Nicola Sturgeon hatte das oberste britische Gericht, den Supreme Court in London, um eine Entscheidu­ng gebeten, ob sie ein erneutes Referendum über Schottland­s Unabhängig­keit, auch Indyref 2 genannt, ansetzen dürfe. Doch der Supreme Court erklärte am Mittwoch in einem einstimmig­en Beschluss, dass sie dazu nicht befugt sei und vielmehr dafür die Zustimmung der britischen Regierung brauche. Die freilich hatte klargestel­lt, dass man das Ergebnis des ersten Referendum­s von 2014, in dem die Befürworte­r einer Union mit 55 Prozent triumphier­ten, für gültig hält und eine Einwilligu­ng für Indyref2 wiederholt verweigert. Sturgeon wiederum argumentie­rt, dass der Brexit, gegen den die Schotten mit 62 Prozent gestimmt hatten, eine neue Situation geschaffen und damit die Rechtferti­gung eines neuen Anlaufes geliefert habe.

„Obwohl ich enttäuscht bin“, reagierte Sturgeon auf die Entscheidu­ng, „respektier­e ich den Spruch des Obersten Gerichts, das Gesetze nicht macht, sondern nur interpreti­ert.“Da Plan A nicht aufging, will sie jetzt zu Plan B wechseln. „Ein Gesetz, das Schottland nicht erlaubt, seine eigene Zukunft ohne die Zustimmung der Regierung in Westminste­r

zu wählen“, führte Sturgeon aus, „enthüllt die Idee, dass das Vereinigte Königreich eine freiwillig­e Partnersch­aft ist, als einen Mythos und liefert das Argument für Indyref 2.“Noch deutlicher wurde ihr Parteikoll­ege Angus Brendan MacNeil von der Scottish National Party (SNP): „Schottland ist quasi eine Geisel innerhalb der Union, aber der Weg hinaus ist natürlich die Wahlurne.“Damit spielte er auf Sturgeons Alternativ­plan an: Sie will die nächsten Parlaments­wahlen, die bis spätestens 2024 stattfinde­n müssen, zu einem De-facto-Referendum machen. Sollten diejenigen Parteien, die für eine Unabhängig­keit eintreten, also die SNP und die Grünen, eine Mehrheit in Schottland erringen, will dies die Ministerpr­äsidentin als Mandat für die Unabhängig­keit werten und Verhandlun­gen über eine Trennung vom Rest-Königreich beginnen.

Die Drohung eines Quasi-Plebiszits erhöht den politische­n Druck für die konservati­ve Regierung in London. Die SNP kann argumentie­ren, dass London den demokratis­ch ausgedrück­ten Willen der Schotten ignoriert, die in den letzten 15 Jahren stets die SNP zur stärksten Partei wählten. Sturgeon sprach von einer „unverblümt­en Demokratie-Verweigeru­ng“. Der britische Schottland-Minister Alister Jack versuchte zu besänftige­n und erklärte, dass man bereit sei, mit der schottisch­en Regierung bei den Themen zusammenzu­arbeiten, „die den Schotten am wichtigste­n sind“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany