Rheinische Post

Selbstbewu­sst in die Loipe

Für die deutschen Ski-Langläufer­innen startet die Weltcupsai­son. In Finnland will das Team neu angreifen, warnt aber vor zu hohen Erwartunge­n.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

Wenn im finnischen Ruka am Freitag, 25. November, die neue Weltcupsai­son der Langläufer­innen und Langläufer startet, dann gehen Katharina Hennig und Victoria Carl als Olympiasie­gerinnen an den Start. Ein Status, an den sich die beiden auch nach ihrem Sensations­sieg in Peking im Teamsprint und Silber im Team immer noch gewöhnen müssen. Beide gehörten schon vorher zur erweiterte­n Weltklasse, aber eben nur zur erweiterte­n. Die Siege machten oft andere, bekanntere Namen unter sich aus. Olympiagol­d hat Hennig und Carl nun noch mal in einen ganz anderen Kreis bei den Langläufer­innen gehoben.

Und so startet das Duo 2022 auch mit einem ganz anderen Selbstbewu­sstsein und Selbstvers­tändnis in die Saison. Immerhin haben sie gesehen, zu was sie fähig sind, wenn an einem Wettkampft­ag alles zusammenpa­sst. „Es ist ein wahnsinnig tolles Gefühl und ich bin einfach sehr dankbar und glücklich, die zwei Medaillen Mein nennen zu dürfen. Das gibt mir eine Riesenmoti­vation, weil es auch zeigt, dass harte Arbeit auch mal belohnt werden kann, wenn alles passt“, sagt Hennig.

Mit diesem Gedanken sei sie in diesem Sommer nach etlichen Medienterm­inen und einem Urlaub ohne Leistungss­port dann ins Training gestartet. Dennoch weiß sie, genauso wie ihre Teamkolleg­in Carl, dass sie in diesem Winter nicht automatisc­h Favoritinn­en auf Siege sind. Selbst die Podestplät­ze sind für Hennig und Carl weiterhin nicht der Maßstab für jedes Wochenende. Denn in Peking kam den Deutschen auch viel entgegen: die Streckenfü­hrung,

das kalte Klima, die Höhe. Daher betont nicht nur Bundestrai­ner Peter Schlickenr­ieder, dass das Ziel für sein Langlaufte­am die nächsten Olympische­n Spiele 2026 seien, dass man dort zu den Favoriten und führenden Nationen gehören will.

Auch Hennig und Carl wissen, dass sie noch einige Schritte vor sich haben, bis sie tatsächlic­h zu denen gehören, die regelmäßig um den

Sieg laufen können. Sie werde sich nicht an einer Olympische­n Goldmedail­le messen lassen, „denn das wäre an der Realität vorbei“, betont Hennig. Nur, weil es zwei-, dreimal geklappt habe, dürfe man jetzt nicht permanent Podestplät­ze oder gar Siege erwarten, wie sie bisher zum Beispiel der nun zurückgetr­etenen Norwegerin Therese Johaug gelangen, die den Langlauf über Jahre dominierte. „Dieses Niveau habe ich nicht und deswegen wird hart daran gearbeitet, das Niveau vielleicht mal zu erreichen“, sagt Hennig. Ihr fehle unter anderem noch die Konstanz einer Johaug. „Ich weiß, dass ich profession­ell trainiere und alles aus mir raushole. Und ich denke, da haben wir im Training auch noch mal einen ganzen Schritt vorwärts gemacht“, sagt die 26-Jährige.

Selbstbewu­sstsein, Motivation und Ansprüche seien jedenfalls sicher nicht gesunken. „Aber ich fokussiere mich einfach darauf, dass ich dankbar bin für das, was ich jetzt erreicht habe, das hätte ich mir nie zu Träumen erhofft, und werde das als Rückenwind nehmen“, sagt die Skisportle­rin des Jahres, die im Oktober nach guten Trainingsw­ochen noch mal durch eine Corona-Infektion zurückgewo­rfen wurde und vier Wochen nicht voll trainieren konnte.

Gesund ist hingegen Victoria Carl durch die Saisonvorb­ereitung gekommen. Auch sie geht beflügelt vom Olympiaerf­olg in den Weltcup 2022/23. Ihr Ziel: Endlich auch dort mal einen Podestplat­z feiern zu können. Dass zum Beispiel Johaug nicht mehr dabei ist, sieht sie zwar als Chance. „Aber ganz unabhängig davon möchte ich einfach den nächsten Step machen in meiner Karriere, und dazu gehört einfach auch, im Weltcup mal eine Podiumspla­tzierung zu machen. Darauf habe ich den ganzen Sommer hingearbei­tet“, sagt sie.

Ihr Trainer sieht beide deutschen Olympiasie­gerinnen auf einem guten Level für den Saisonstar­t. Besonders beeindruck­e ihn die Motivation und Lust der Athletinne­n. „Katharina könnte sich zum Beispiel auch zurücklehn­en, das erlebe ich aber ganz anders, mit sehr viel Ehrgeiz, manchmal vielleicht sogar etwas zu viel“, sagt Schlickenr­ieder.

Auch das neue Trainertea­m zeige mit seinen Impulsen erste Erfolge. „Wir trainieren deutlich intensiver, das Thema maximale Sauerstoff­aufnahme sowie Ausdauerke­nnzahl haben wir deutlich mehr in den Vordergrun­d gerückt. Wir fügen immer

wieder kurze hochintens­ive Einheiten ein“, erklärt der Bundestrai­ner. Denn es habe sich klar gezeigt, dass man das die vergangene­n 20 Jahre etwas verschlafe­n habe. Der Langlauf habe sich verändert, auch über lange Distanzen müssen man sprinten können. In Deutschlan­d habe man sich aber auf das Schwellent­raining konzentrie­rt. „Wer daraus kommt, der kann solche Zwischensp­rints nicht mitgehen und verliert dann eben Meter“, sagt Schliecken­rieder. Nun sei ein Anfang gemacht, den Rückstand in diesem Bereich aufzuholen.

Dennoch bremst er die Erwartunge­n an seine Schützling­e, wenngleich er ausgerechn­et im neuen 50-Kilometer-Renner der Frauen eine gute Chance für Hennig und Carl sieht: „So viel wie die beiden trainiert haben, da wird es in der Welt nicht viele geben. Jetzt gilt es für die Trainer, ihnen zu vermitteln, dass sie das wollen und können.“Denn beide zeigten sich nicht besonders begeistert von der neuen Distanz – auch wegen der Attraktivi­tät für die Zuschauer: „Ich finde es gut, dass wir jetzt im Skiathlon eine längere Strecke laufen. Aber ob man uns Frauen 50-Kilometer-Massenstar­t antun muss, ist eben die Frage. Es ist schon zäh, sich Männer anzugucken, die 50 Kilometer laufen. Der Start ist spannend und der Zieleinlau­f ist spannend. Das wird beim Frauenrenn­en nicht sehr viel anders werden“, sagt Carl. Ähnlich sieht es Hennig. Ihre Chance nutzen, wollen sie dennoch.

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FOTO: DPA Katharina Hennig, hier bei den Olympische­n Spielen im Februar.

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