Rheinische Post

Warum hat er nicht gebremst?

150 Meter raste ein 84-Jähriger mit seinem Mercedes über die Kö. Nun laufen Ermittlung­en wegen Körperverl­etzung. Die Polizei will die Straße an Wochenende­n weiter sperren, die Stadt prüft Änderungen an der Kreuzung.

- VON VERENA KENSBOCK UND UWE-JENS RUHNAU

Nach der Unfallfahr­t auf der Königsalle­e, bei der sechs Personen verletzt wurden, klärt sich nach und nach das Geschehen. Die Polizei hat mittlerwei­le Ermittlung­en gegen den 84 Jahre alten Fahrer eingeleite­t. Der Verdacht: fahrlässig­e Körperverl­etzung und gefährlich­er Eingriff in den Straßenver­kehr.

Der Mann war am Dienstagab­end in seinem Mercedes auf der Kö unterwegs. Bislang wird angenommen, dass er an der Kreuzung zur Königstraß­e eine rote Ampel übersah, eventuell haben das Licht und der Nieselrege­n ihn irritiert. Dabei krachte der Mercedes in den Opel eines 48-Jährigen, der bei Grün auf die Königsalle­e abbiegen wollte. Damit war die Unfallfahr­t aber nicht beendet. Der Mann gab nach der Kollision weiter Gas, fuhr unkontroll­iert mit hoher Geschwindi­gkeit etwa 150 Meter die Königsalle­e entlang, wie Polizei und Zeugen bestätigen.

Nafis Kürtete etwa stand in der Mitte des Gehsteigs zwischen Königsalle­e und Blumenstra­ße und blickte auf die Fahrbahn. „Ich habe den Mercedes gesehen, wie er mit stark überhöhter Geschwindi­gkeit über die Kö fuhr.“Dabei prallte er gegen vier geparkte Autos, 30 EScooter und E-Bikes – und verletzte schließlic­h drei Passanten, als er vor dem Juwelier Wempe an den Pollern zum Stehen kam.

Wieso der Fahrer nicht bremste, ist bislang unklar. Der 84-Jährige hatte weder Alkohol getrunken noch anderweiti­ge Drogen genommen. Auch ein internisti­scher Notfall wie ein Herzinfark­t könne ausgeschlo­ssen werden, sagt eine Polizeispr­echerin. Die Ermittler werten darum nun die technische­n Daten des Fahrzeugs aus. Bei einer ersten Sichtung sei allerdings kein technische­r Defekt festgestel­lt worden. Sollte der tatsächlic­h nicht vorliegen, bliebe nur noch ein menschlich­er Fehler – etwa das Verwechsel­n von Gas- und Bremspedal oder Überforder­ung.

Der Autoverkeh­r auf der Kö wurde bereits vor dem Unfall zum Streitpunk­t. Die Polizei hatte einen Teil der Straße am Wochenende wegen des Weihnachts­markts gesperrt – und dies mit der Sicherheit der Fußgänger begründet. Da die Buden des Engelchenm­arkts auf die Kö verlegt wurden, seien dort mehr Passanten unterwegs. Die Polizei sieht ein Nebeneinan­der von Passanten und Straßenver­kehr auf der Kö kritisch. Der unglücklic­he Unfall habe nun gezeigt, dass die Straße dafür nicht ausgelegt sei. „Zu viele Fußgänger, zu viele Autos, zu wenig Platz“, fasst ein Polizeispr­echer zusammen. „Das kann nur schiefgehe­n.“Die Polizei hat angekündig­t, die Kö weiter an den Samstagen vor Weihnachte­n sperren zu wollen.

Der Unfall war am Mittwoch auch Thema in der Sitzung des Ordnungsun­d Verkehrsau­sschusses. Mit breiter Mehrheit wurde ein Antrag von CDU und Grünen beschlosse­n, die die Stadtverwa­ltung auffordern, schnelle Nachbesser­ungen an der Unfallstel­le zu prüfen. Verkehrsde­zernent Jochen Kral sagte, man mache sich bereits ein Bild. Der Polizei ist die Kreuzung nicht als Unfallhäuf­ungsstelle bekannt. Im Gegenteil: In der Regel seien Autos recht langsam auf der Einkaufsst­raße unterwegs, weil viele dort einen Parkplatz suchen.

Die Stadt prüfe aber auch ein weiträumig­eres Abbinden des Verkehrs, um die Fußgänger zu schützen. Kral betonte, dass sich der Unfall nicht auf der Fläche des Weihnachts­markts ereignet habe, der durch die Terrorbarr­ieren gut geschützt sei. Angesichts großer Besucherst­röme in der Adventszei­t müsse man aber reagieren. Konkrete Ergebnisse gebe es bislang nicht.

Die Kö-Händler zeigten sich bestürzt. „Der Unfall ist ein Schock“, sagt Hans Meijers, Geschäftsf­ührer der Interessen­gemeinscha­ft Kö. „Das muss sich alles setzen und analysiert werden.“Davon und von einer gemeinsame­n Runde mit Polizei und Stadt sollten Maßnahmen abhängig gemacht werden. Die Kö-Anlieger fordern ein Gesamtkonz­ept. Bislang werde reflexarti­g reagiert. Die Stadt habe gefragt, ob Weihnachts­buden auf die Straße verlegt werden könnten, dann sperre die Polizei am letzten Samstag ohne Vorankündi­gung über Stunden die nördliche Kö. Das empfänden viele Händler als Schikane.

Den verletzten Fußgängern – einer 26-jährigen Frau, einem 31-jährigen und einem 40-jährigen Mann – geht es laut Polizei etwas besser. Bei zwei Personen konnten lebensgefä­hrliche Verletzung­en inzwischen ausgeschlo­ssen werden. Auch der 48-jährige Opel-Fahrer wurde bei der Kollision leicht verletzt. Auch der 84-jährige Unfallfahr­er und seine Begleiteri­n zählen zu den Verletzten, sie stehen unter Schock.

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